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Das Kaskadenprinzip – ein heilloses Durcheinander?

Im deutschen Vergaberecht sind die Vorschriften für Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte, also europaweite Ausschreibungen, in verschiedenen Gesetzen und Vorschriften geregelt. Dabei besteht eine Hierarchie-Abfolge, wobei die höhere Stufe immer den Vorrang zur niedrigeren hat – à la „Unter sticht Ober“. Diese Ebenen- oder Hierarchieeinteilung trägt den beschönigenden Namen „Kaskadenprinzip“. In der Praxis zeigt sich dessen Unübersichtlichkeit und Nutzerunfreundlichkeit. Auch wenn das Kaskadenprinzip kompliziert scheinen mag – sowohl Unternehmen als auch Vergabestellen sollten die wesentlichsten Regelungen kennen, die beispielsweise gegen Wettbewerbsbeschränkungen und für die Vergabe- und Vertragsordnung von Bauleistungen gelten.

Hierarchie der Gesetze: Das Kaskadenprinzip

An erster Stelle stehen die EU-Richtlinien. Auf nationaler Ebene sind diese als oberste Kaskade im 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) umgesetzt. Das GWB regelt die Grundsätze des Vergaberechts, der Anwendungsbereiche, die Grundsätze des Vergabeverfahrens sowie die Besonderheiten für die Vergabe von Sektorenaufträgen und Konzessionen. Außerdem enthält der 4. Teil des GWB die Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren.

Die zweite (nationale) Kaskade umfasst vier Vergabeverordnungen. Die Vergabeverordnung (VgV) reguliert die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber. Sie ersetzt die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A EG) und die Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF). Die Regelungen des ersten und des zweiten Abschnitts, Unterabschnitt 2, gelten auch für die Vergabe von Bauleistungen. Die Sektorenverordnung (SektVO) enthält die Regelungen für die Auftragsvergabe durch Auftraggeber in den Sektoren Trinkwasserversorgung, Energieversorgung und Verkehr. Die Konzessionsvergabeverordnung (KonzvergabeVO) regelt die Vergabe von Konzessionen durch Konzessionsgeber. Die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) regelt die Besonderheiten bei der Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen.

 

Ablauf einer öffentlichen Ausschreibung

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Die dritte (nationale) Kaskade umfasste bis zur Reform des Vergaberechts in 2016 die Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen (VOB), für Liefer- und Dienstleistungen (VOL) und die Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF). Übrig geblieben ist die Vergabeordnung für Bauleistungen (VOB/A). Der zweite Abschnitt der VOB/A regelt die Vergabe von Bauleistungen in europaweiten Ausschreibungen durch öffentliche Auftraggeber (VOB/A EU). Der dritte Abschnitt enthält Regeln für die Vergabe verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer Aufträge (VOB/A VS).


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Fazit

Bei der Reform des Vergaberechts wurde die Struktur des Vergaberechts vereinfacht und eine Abschaffung der 3-stufigen Kaskade für Bauleistungen durchgesetzt. Die Anwender auf beiden Seiten (Unternehmen und öffentliche Auftraggeber) müssen dauerhaft mit zwei Stufen bei Liefer-und Dienstleistungen (GWB > VgV) und drei Stufen bei Bauleistungen (GWB > VgV > VOB/A EU) oberhalb der Schwellenwerte leben und arbeiten. Ist das Kaskadenprinzip aber einmal verstanden und der „Aha“-Effekt eingetreten, lässt sich damit gut leben und arbeiten.