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Schwellenwerte im Vergabeverfahren

Dieser Beitrag wurde am 8. Februar 2019 aktualisiert.

Zur Weiterentwicklung der bundeseinheitlichen Software für die Steuerfestsetzung beabsichtigt das Bundesland Bayern, Programmierungsleistungen fremd zu vergeben. Die Vergabestelle berechnet den Auftragswert auf ca. 280.000 Euro ohne Umsatzsteuer und entscheidet daher, ein EU-weites Vergabeverfahren nach den Vorschriften des GWB und der VgV durchzuführen. Der sog. Schwellenwert ist der für einen öffentlichen Auftraggeber maßgebliche Wert, um zu entscheiden, ob er ein nationales oder ein EU-weites Vergabeverfahren durchführt. Die europäische Kommission geht davon aus, dass Aufträge unterhalb dieser Werte für Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der EU grundsätzlich nicht von Interesse sind und sich daher für einen grenzüberschreitenden Verkehr nicht eignen.

Was ist der Schwellenwert?

Der Schwellenwert ist der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer. Die Schätzung ist eine Prognose, die gewisse Unschärfen enthalten kann. Bei der Schätzung orientiert sich die Vergabestelle an der aktuellen Marktlage. Die Schätzung umfasst die geschätzte Gesamtvergütung für die einzukaufende Leistung einschließlich etwaiger Zahlungen an Dritte sowie ggf. enthaltener Optionen. Die Vergabestelle darf den Wert des beabsichtigten Auftrags nicht in der Absicht zu niedrig schätzen oder ihn dahingehend aufteilen, um ihn den Regelungen für ein EU-weites Vergabeverfahren zu entziehen. Sollte allerdings die Schätzung den Marktgegebenheiten zu Beginn des Verfahrens entsprochen haben und stellt sich nach Angebotsabgabe heraus, dass der Angebotspreis den Schwellenwert übersteigt, ist dies unbedenklich.

Funktionaler Auftragsbegriff

Der vergaberechtliche Auftragsbegriff wird funktional ausgelegt, d. h. selbst wenn der Auftrag aufgeteilt wird, die Leistungen aber so miteinander verbunden sind, dass sie organisatorisch, technisch, inhaltlich oder wirtschaftlich zusammenhängen, sind die Leistungen für die Schwellenwertermittlung zusammenzurechnen.

Höhe der Schwellenwerte

Die Höhe der Schwellenwerte hängt von der Art des Auftrags ab. Er beträgt derzeit für

  • Liefer- und Dienstleistungen 221.000 Euro (für Behörden des Bundes 144.000 Euro)
  • soziale und andere besondere Dienstleistungen, die in Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/LEU aufgeführt sind, 750.000 Euro
  • Bauleistungen 5.548.000 Euro
  • Liefer- und Dienstleistungen im den Bereich Sektoren bzw. Verteidigung und Sicherheit 443.000 Euro

Die Höhe der Schwellenwerte wird alle zwei Jahre neu festgelegt. Die hier genannten Schwellenwerte gelten noch bis zum 31.12.2019.

Berechnung der Schwellenwerte

Bei der Berechnung kann sich die Vergabestelle an Erfahrungswerten der Vergangenheit orientieren. Hierzu bestimmt sie den Wert entsprechender Aufträge für Lieferungen und Dienstleistungen aus dem abgelaufenen Haushaltsjahr und passt die voraussichtlichen Änderungen bei Mengen und Kosten für die Auftragszeit an. Sofern jedoch hierfür kein Gesamtpreis angegeben wird, kommt es auf die Laufzeit der Verträge an. Bei Laufzeiten bis zu 48 Monaten ist der Gesamtwert des Auftrags maßgeblich, der nach dem Wert der in diesem Zeitraum zu erbringenden Leistungen zu bestimmen ist. Sofern kein Zeitraum angegeben ist oder mehr als 48 Monate beträgt, wird der Gesamtwert stets auf 48 Monate berechnet. Eine Besonderheit stellt die Losvergabe dar. Zur Berücksichtigung kleiner oder mittlerer Unternehmen ist die Leistung in Lose aufzuteilen. Dies können Fach (Gewerke)- oder Teil-(Mengen, Regionen)Lose sein. Zur Ermittlung des Schwellenwertes sind die Lose zusammenzurechnen. Bei Lieferungen gilt dies aber nur für gleichartige Lieferungen.

Fazit

Die Wahl der anzuwendenden vergaberechtlichen Vorschriften orientiert sich am geschätzten Nettoauftragswert. Es ist die Aufgabe des öffentlichen Auftraggeber, diesen zu berechnen. Ggf. beabsichtigte zu niedrige Schätzungen berechtigen Bieter ein Nachprüfungsverfahren anzustrengen.