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Billigpreissektor Bauleistungen?

Viele Bieter klagen, dass die öffentliche Hand den Zuschlag in der Regel dem billigsten, nicht dem wirtschaftlichsten Angebot erteile. Bei vielen Gewerken im Baubereich gebe es harte Konkurrenz, um manche Aufträge bewerben sich 10, 15 oder gar 20 Unternehmen – da haben sich unvermeidbar viele Bieter umsonst Mühe gemacht und Geld in die Ausschreibung gesteckt. „Klagen sind oft dem engen Wettbewerb geschuldet“, sagt Michael Kordon, Amtsleiter des Staatlichen Bauamts Weilheim und Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.

Probleme mit Billigvergaben gibt es speziell im Bereich der Bauleistungen. Was aber ist der Grund dafür?

„Meines Erachtens kommt der öffentliche Auftraggeber seiner Verpflichtung nicht nach, erschöpfend zu beschreiben“, meint Klaus Faßnacht, im Mainzer Amt für Finanzen, Beteiligungen und Sport Abteilungsleiter für Vergabe und Einkauf. Zudem werde aus Gründen der Bequemlichkeit vom Instrument weiterer Vergabekriterien viel zu selten Gebrauch gemacht.

Nicht kostendeckende Preise

Ärgerlich werde es, für Auftragnehmer und für Auftraggeber, wenn sich bei der Ausführung die Preise als nicht kostendeckend erweisen, sagt Kordon. Wenn also Bieter den Zuschlag nicht erhielten, die auf Grund seriöser Kalkulation zu höheren Preisen anboten. „Natürlich prüfen wir als Vergabestelle auf Unterangebot – aber hier gibt es Grenzen und Preiskalkulation ist keine exakte Wissenschaft.“

Klassisch sei die Beauftragung des billigsten Pauschalangebots von Seiten eines Unternehmens, das dringend einen Auftrag benötigt, erläutert Klaus Faßnacht. Verändert sich nach Auftragsvergabe ein Teil der zu erbringenden Leistung, ist das – in Wahrheit unterpreisige – Pauschalangebot hinfällig. Der Bieter kann sein unauskömmliches Angebot durch entsprechende Nachträge ausbessern. Bisweilen ist die Planung schlecht und die Bestandserfassung unzureichend. „Wenn der Bieter mehr über eine Baustelle weiß, als der Ausschreiber, wird aus billig teuer.“

 

Mit guter Vorbereitung öffentliche Aufträge gewinnen

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Ungenutztes Innovationspotential

Christine Machacek, Geschäftsführerin der Allgäuer Säbu-Holzbau GmbH, hat viele Projekte für die öffentliche Hand errichtet, oft als Generalunternehmer, hört häufig aus ihrer Branche von Bietern, die mit Hilfe von günstigeren Angeboten an Aufträge kommen und anschließend, unvermeidbar, auf Nachträge setzen. Absolut zuverlässig lasse sich das auch durch gute Leistungsbeschreibungen nicht vermeiden, so ihre Einschätzung, zumal Auftraggeber nicht die Chance vergeben sollten, beispielsweise über Nebenangebote technisch innovative plus wirtschaftlich interessante Lösungsalternativen vorgelegt zu bekommen.

Regelungswut

Klar ist: Die Erwartungen an die öffentlichen Beschaffungsprozesse sind hoch und vielfältig. Sie zu erfüllen wird nicht einfacher angesichts des Trends zur Verrechtlichung seit den 1970er Jahren, den der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie Michael Knipper mit Zahlen unterlegt. „Damals gab es für Bauaufträge der öffentlichen Hand europaweit 2 Richtlinien mit jeweils 5 bzw. 34 Artikeln, die deutschen Regeln umfassten 29 Paragraphen. Heute haben wir europaweit 4 Richtlinien mit einigen hundert Artikeln insgesamt“, die auch in Deutschland gelten, in denen jedoch zahlreiche Anforderungen seitens Bund, Ländern und Kommunen hinzukommen.

Rechtsanwalt Knipper: „Ein Hauptproblem ist, dass sich die Ausschreibungs- und Beschaffungsprozesse immer weiter vom eigentlichen Ziel entfernen, durch Wettbewerb die zur Beschaffung eingesetzten Steuergelder möglichst wirtschaftlich zu verwenden.“ Dazu komme, dass „der Föderalismus in Deutschland als Vorwand dazu dient, in Ländern und Kommunen eigene Regeln aufzustellen, anstatt bundesweit einheitlich vorzugehen.“

Der nächste Beitrag in der Serie „Wirtschaftliche Vergabe in der Praxis“ erscheint am 26. Mai.