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Gesamtauftragswert folgt der Funktion

Das Vergaberecht enthält Klippen, an denen ein Bieter mit seinem Angebot oder ein Auftraggeber mit seinem Verfahren scheitern kann. Um einen effektiven Wettbewerb auf dem Binnenmarkt sicher zu stellen, hat die Europäische Union (EU) beispielsweise Schwellenwerte für öffentliche Vergaben vorgesehen. Für Bauaufträge sind dies aktuell 5,225 Millionen Euro ohne Umsatzsteuer. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat dazu am 24. Oktober 2016 entschieden, dass unter Umständen auch Teilaufträge einen einheitlichen Auftrag bilden können, dessen Gesamtwert dann in Bezug zum EU-Schwellenwert maßgeblich ist.

Beim Ermitteln des Auftragswerts müssen sämtliche kostenrelevante Faktoren der avisierten Leistung(en) berücksichtigt werden. Die nach objektiven Kriterien seriös und nachvollziehbar vorgenommene Prognose kann sich unter anderem an früheren eigenen Ausschreibungen des Auftraggebers orientieren. Sie klärt die Höhe der jeweils nötigen Finanzmittel und zudem, welche Art der Vergabe im konkreten Fall greift. Für Letzteres entscheidet allein der Gesamtauftragswert, ob der entsprechende EU-Schwellenwert überschritten wird, ab dem das so genannte Kartellvergaberecht anzuwenden ist.

Kohärente Aufgaben als solche bewerten

Für sein Urteil legte das OLG die Auftragswertermittlung anhand des „funktionalen Auftragsbegriffs“ zu Grunde. Dabei ist auch dann von einem Gesamtauftrag auszugehen, wenn der (öffentliche) Auftraggeber die Leistungen nach und nach in verschiedenen Schritten realisieren lassen will, die aber in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht zusammen hängen wie auch eine funktionale Kontinuität besitzen. Folglich darf ein Auftrag mit kohärenten Aufgaben bei der Vergabe nicht so unterteilt werden, dass er gegebenenfalls nicht mehr dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) oder der Vergabeverordnung (VgV) unterliegt (Umgehungsverbot).

Im konkreten Fall ging es darum, die Fahrrinne einer Bundeswasserstraße frei zu halten. Dafür sind „Ausbaggern“, „Transport des Baggerguts aus dem Baggerbereich zur Entsorgungsstelle“ sowie „Entsorgung des Baggerguts“ notwendig. Eine einzelne dieser Leistungen erreicht nicht den maßgebenden EU-Schwellenwert von 5,225 Millionen Euro netto. Alle drei Leistungen zusammen betrachtet, überschreiten diese Bezugsgrenze für die Vergabe von Bauaufträgen jedoch deutlich.

 

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Gesamtauftragswert: Der funktionale Auftragsbegriff zählt

Folglich bewertete das OLG Köln das Projekt, für dessen Erfolg die drei aufgeführten Leistungen unerlässlich sind, als einen einheitlichen Auftrag. Denn – ausweislich der Baubeschreibung – dienen sie insgesamt der Wiederherstellung des Sollprofils der Fahrrinne der Bundeswasserstraße. Dafür bauen sie sowohl direkt aufeinander auf und bedingen sich gegenseitig. Das heißt, sie sind in einem zusammenhängenden räumlichen, zeitlichen wie technischen Rahmen zu koordinieren. Das OLG sagt in seinem Urteil aber auch, dass die drei Leistungen als einzelne Aufträge vergeben werden können. Davon unberührt bleibt die Auftragswertschätzung für das Gesamtprojekt, bei dem es sich funktional gesehen um einen einheitlichen Auftrag handelt.