© ASDF/Fotolia.com

Verhandelt statt freihändig

Im April 2016 trat die europäische Reform der Oberschwellenvergabe in Kraft. Wenig später folgte bereits die Reform des Vergaberechts unterhalb der EU-Schwellenwerte durch die Bundesregierung. Sie soll mehr Flexibilität und größeren Gestaltungsspielraum für den Bereich der nationalen öffentlichen Auftragsvergabe bringen, die geschätzt 90 Prozent des öffentlichen Auftragsvolumens betrifft. Zudem sollte eine gewisse Vereinheitlichung von Unter- und Oberschwellenvergabe erreicht werden, indem das nationale Vergaberecht an die EU-weiten Regelungen angenähert wurde. Das bedeutet auch einen Ausbau der Regeln.

Neuordnung der Wahl der Verfahrensarten

Für den Bereich der Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte wurde mit dieser Stoßrichtung die UVgO entwickelt und Anfang Februar 2017 veröffentlicht. Sobald Bund und Länder die UVgO für ihren Zuständigkeitsbereich mit einem Einführungserlass angeordnet haben (Bundes-/Landeshaushaltsordnung, Landesvergabegesetz usf.), ist sie Teil des Landesvergaberechts und muss angewendet werden.

Eine bemerkenswerte Änderung ist die Neuordnung der bisherigen freihändigen Vergabe, dem am wenigsten reglementierten Vergabeverfahren. Sie erfolgt unter der neuen Bezeichnung Verhandlungsvergabe (UVgO § 8 (4)), nicht zu verwechseln mit dem Verhandlungsverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte gemäß VgV § 17 / EU Abs. 3 VOB/A § 3b.
Die neue Bezeichnung verdeutlicht: Auch in diesen Fällen ist (und war) ein geregeltes, auf Wettbewerb abzielendes Vorgehen einzuhalten, im Unterschied zum Direktauftrag (unterhalb von 1.000 Euro netto).

 

Mit guter Vorbereitung öffentliche Aufträge gewinnen

  • Ausschreibungen finden
  • Das richtige strategische Vorgehen bei der Angebotsabgabe
  • Praxistipps zur Angebotserstellung
Hier geht’s zum Ratgeber

 

Viele Ansätze für die Verhandlungsvergabe

Die UVgO nennt in § 8 (4) eine ganze Reihe von zum Teil (im Vergleich zur Zulässigkeit der freihändigen Vergabe) neuen Rahmenbedingungen, die die Verhandlungsvergabe zulassen. Möglich ist diese auf der einen Seite, wenn Ausführungsbestimmungen auf Bundes- oder Landesebene dies bis zu definierten Wertgrenzen bzw. Höchstwerten zulassen (§ 8 (4) Nr. 17). Zulässig ist es aber auch, wenn Merkmale des zu vergebenden Auftrags Verhandlungen erforderlich oder zielführend erscheinen lassen:

  • hohe Anforderungen an Innovation und Konzeption (Nr. 1)
  • besondere Komplexität oder mit hohen Risiken verbundene finanzielle oder rechtliche Umstände (Nr. 2)
  • vorab nicht hinreichend und erschöpfend beschreibbare technische Anforderungen (Nr. 3)
  • eine vom Auftraggeber nicht voraussehbare besondere Dringlichkeit der Leistungsbeschaffung (Nr. 9)

Möglich ist die Verhandlungsvergabe oft, wenn der zu vergebende Auftrag im Zusammenhang mit einem vorangegangenen steht, beispielsweise wenn

  • bereits erbrachte Leistungen zur Vermeidung technischer Risiken durch den ursprünglichen Auftragnehmer teilweise erneuert oder erweitert bzw. (Nr. 12a-c),
  • Ersatzteile bzw. Zubehör aus Wirtschaftlichkeitsgründen vom ursprünglichen Lieferanten beschafft werden sollen (Nr. 13).

Es gibt also eine Vielzahl von Beschaffungsumständen bzw. Auftragsmerkmalen, unter denen unterhalb der EU-Schwellenwerte die Verhandlungsvergabe gewählt werden kann. Dazu zählt auch, wenn sie als „vorteilhafte Gelegenheit“ zu einer wirtschaftlicheren Beschaffung führt (Nr. 14) oder wenn ausschließlich eine Behindertenwerkstatt oder ein anderes Sozialunternehmen oder aber eine Justizvollzugsanstalt (Nr. 16a-b) beauftragt werden sollen. Das bedeutet für öffentliche Beschaffer – ebenso wie die Gleichstellung von öffentlicher Ausschreibung und beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb – mehr Freiheit bei der Wahl der Verhandlungsart. Dies war auch das Ziel der nationalen Gesetzgebung.

Lesen Sie am 7. Dezember 2017 mehr über die Durchführung der Verhandlungsvergabe.