Was, wenn ein Zuschlag nicht erfolgen kann?

Ein Vergabeverfahren endet meist damit, dass der öffentliche Auftraggeber unter allen fristgerecht eingegangenen Angeboten eines auswählt, dem er den Zuschlag erteilt. Eigentlich.

In einigen Fällen kann es aber passieren, dass das Vergabeverfahren nicht mit Zuschlag beendet wird. Gründe dafür können beispielsweise sein, dass kein geeigneter Bieter ein Angebot abgegeben hat, kein wirtschaftliches Angebot eingereicht wurde, der öffentliche Auftraggeber sein Beschaffungsvorhaben aufgegeben oder keine Finanzmittel hat. Für Bieter stellt sich in solchen Fällen die Frage, ob öffentliche Auftraggeber Vergabeverfahren einfach abbrechen können. Hier die wichtigsten Fakten dazu:

Kein Zuschlagszwang

Für öffentliche Auftraggeber besteht grundsätzlich kein Zwang, ein Vergabeverfahren mit Zuschlag zu beenden. Einen Vertragszwang (Kontrahierungszwang) gibt es nicht. Der Auftraggeber kann das Vergabeverfahren deshalb aufheben.

Sachliche Gründe für die Aufhebung des Vergabeverfahrens

Rechtmäßig ist die Aufhebung eines Vergabeverfahrens aber nur, wenn sachliche Gründe vorliegen. Wann solche sachlichen Gründe vorliegen, ergibt sich in erster Linie aus den Vergabevorschriften. Sachliche Aufhebungsgründe bestehen etwa, wenn kein den Bedingungen entsprechendes Angebot eingegangen ist, sich die Grundlagen des Vergabeverfahrens wesentlich geändert haben, kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde, oder andere schwerwiegende Gründe vorliegen (vgl. § 63 VgV, § 17 VOB/A-EU 2019, § 32 KonzVgV, § 57 SektVO; § 48 UVgO). Liegen solche Gründe vor, ist die Aufhebung rechtmäßig.

Ein öffentlicher Auftraggeber kann aber nicht nur dann aufheben, wenn ein normierter Aufhebungsgrund vorliegt. Er kann sich auch ohne normierte Gründe dafür entscheiden, ein Vergabeverfahren nicht fortzuführen. In einem solchen Fall riskiert ein öffentlicher Auftraggeber aber, sich ggf. den Bietern gegenüber schadenersatzpflichtig zu machen.

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Ausnahmsweise Aufhebung der Aufhebung

In Ausnahmenfällen kommt eine sogenannte „Aufhebung der Aufhebung“ in Betracht. Gemeint sind damit Fälle, in denen Bieter in Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte vor der Vergabekammer die Aufhebung eines Vergabeverfahrens beanstanden und die Weiterführung des Verfahrens erreichen. Nachdem es keinen Zwang gibt, ein Vergabeverfahren auch mit Zuschlag zu beenden, kommt eine Aufhebung der Aufhebung aber nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn es keinen sachlichen Grund für die Aufhebung gibt und der öffentliche Auftraggeber an seiner bisherigen Beschaffungsabsicht festhält. Ein sachlicher Grund fehlt z.B. bei einer „Scheinaufhebung“, die nur dazu dient, bestimmte Bieter zu bevorzugen oder mit der Aufhebung den Zuschlag auf einen bestimmten Bieter zu verhindern (VK Sachsen, 17.01.2019, 1/SVK/033-18; VK Sachsen-Anhalt, 12.09.2018, 3 VK LSA 49/18; VK Bund, 15.06.2018, VK 1-47/18; BGH, 20.03.14, X ZB 18/13).

Tipp für die Praxis

Bei der Aufhebung des Vergabeverfahrens ist nicht zwangsläufig „alles verloren“. Gerade wenn nicht ersichtlich ein Aufhebungsgrund vorliegt, sollte die Aufhebung gerügt werden. Es ist gut möglich, dass öffentliche Auftraggeber durch die Rüge ihre Entscheidung noch einmal überdenken. In Fällen der „Aufhebung der Aufhebung“ muss sogar gerügt werden, um vergaberechtlichen Rechtsschutz vor den Vergabekammern zu erhalten.