Was ist passiert?
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) schrieb eine Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Drogenschnelltests europaweit im offenen Verfahren aus.
Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit verlangte der AG im als Eignungskriterium eine vergleichbare Mindestreferenz. Die Vorgabe lautete: „Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit wird der Nachweis und die Darstellung mindestens einer vergleichbaren Referenzleistung aus den letzten drei Jahren (beginnend ab August 2021) gefordert. Die Vergleichbarkeit bemisst sich insbesondere an der Lieferung von Becher-Urintests zur Feststellung von Drogenkonsum und einer Auftragsmenge von mind. 10.000 Stück“. Im Rahmen der Vergabeunterlagen konkretisierte der AG die erforderlichen Angaben zur Referenzleistung („Beschreiben Sie den Auftrag näher“; „Geben Sie den Umfang des Auftrags (Stückzahl Becher-Urintests) […] an“).
Der für den Zuschlag vorgesehene Bestbieter reichte als Referenz keinen einheitlichen Lieferauftrag über mehr als 10.000 Becher-Urintests ein. Vielmehr stückelte er die geforderte Referenzleistung über mehrere Einzelverträge. Der zweitplatzierte Bieter griff die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung an, da er über entsprechende Marktkenntnis verfügte, dass der Bestbieter über keinen Einzelauftrag mit 10.000 Becher-Urintests verfügen konnte.
Die Entscheidung
Mit Erfolg! Zwar entschied die Vergabekammer noch zugunsten des Bestbieters. Das Bayrische Oberste Landesgericht korrigierte allerdings die Entscheidung.
Wegen des Transparenzgebots und der bei Nichtbeachtung von Ausschreibungsbedingungen drohenden Gefahr eines Angebotsausschlusses müssen die Bieter den Vergabeunterlagen klar entnehmen können, welche Voraussetzungen an ihre Eignung gestellt werden und welche Erklärungen und Nachweise von ihnen verlangt werden. Maßgeblich für das Verständnis ist der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter.
Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die teilweise die Möglichkeit vorsehe, sich auf mehrere Referenzen für Teilleistungen zu berufen, seien zunächst die Vorgaben in den Vergabeunterlagen auszulegen. Vorliegend ergebe die Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont, dass sich die Bieter hinsichtlich der Mindestmenge nur auf einen einzigen Referenzauftrag berufen konnten. Schließlich ergebe sich aus den Formulierungen „Auftragsmenge“, „Auftrag“, dass als Bezugspunkt jeweils nur ein einzelner Vertrag gemeint sein konnte.
Praxishinweis
Die Referenzprüfung bildet regelmäßig das Herzstück der Eignungsprüfung. Erfüllt ein Bieter Mindestreferenzanforderungen nicht, ist sein Angebot zwingend auszuschließen. Bietern ist daher unbedingt anzuraten, bei Unsicherheiten bezüglich der gestellten Anforderungen eine Bieterfrage zu stellen. Selbst wenn sich im Rahmen der Angebotsprüfung bzw. Prüfung der Teilnahmeanträge herausstellt, dass der Bieter eine (andere) passende Referenzleistung erbracht hat, kann der Bieter die gemachten Angaben nicht mehr korrigieren.
Weitere Informationen
Autor: Dr. Karsten Kayser
Datum: 09.04.2025
Gericht: BayObLG
Aktenzeichen: Verg 1/25 e
Typ: Beschluss