Streitthema Vergleichbarkeit von Referenzen
Das Verlangen nach Referenzprojekten für „vergleichbare“ Leistungen bedeutet nicht, dass das Leistungsbild der herangezogenen Aufträge mit dem ausgeschriebenen Auftrag identisch sein müsste, sondern dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten.
Die Referenzleistung muss der ausgeschriebenen Leistung so weit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet.
Dem öffentlichen Auftraggeber steht ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann,
- ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist,
- ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat,
- der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist,
- keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und
- nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.
Dabei ist es von besonderer Relevanz, die Beurteilung der Eignung möglichst wettbewerbsoffen zu gestalten.
BayObLG, Beschluss v. 09.11.2021 – Verg 5/21; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.04.2022 – Verg 25/21
Besonderheiten für Start-ups
Gerade für Start-ups können die Eignungskriterien eine unüberwindbare Voraussetzung darstellen. Insbesondere der Nachweis von vergleichbaren Referenzaufträgen oder langjähriger Erfahrung fällt jungen Unternehmen schwer. Genauso problematisch sind Anforderungen an den jährlichen Umsatz der letzten drei Geschäftsjahre oder der Nachweis von speziellen Zertifikaten.
Besonders für Startups relevante Aspekte sind:
- § 45 Abs. 1 Nr. 1 darf der Auftraggeber einen bestimmten Mindestjahresumsatz der Höhe nach fordern. Dieser darf das Zweifache des geschätzten Auftragswertes in der Regel nicht überschreiten, eine Abweichung hiervon muss der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen begründen.
- Der Auftraggeber darf Umsatzzahlen nur für die letzten 3 Geschäftsjahre verlangen, allerdings mit der weiteren Einschränkung „sofern entsprechende Angaben verfügbar sind“. Im Einklang mit der zugrundeliegenden europäischen Richtlinie ist Unternehmen demnach die Möglichkeit zu geben, Nachweise jedenfalls nur für den Zeitraum seit ihrer Gründung bzw. Teilnahme am Wirtschaftsleben vorzulegen.
- Als alternativer Nachweis für die wirtschaftliche und finanziellee Leistungsfähigkeit kommt für junge Unternehmen die Beibringung einer Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VgV in Betracht. Ob ein bestimmter Nachweis durch einen anderen Nachweis ersetzt werden darf, muss jedoch im Vorfeld (vor Ablauf der Abgabefrist) mit dem Auftraggeber über eine Bieterfrage geklärt werden.
- Soweit das Unternehmen noch keine eigenen Referenzen hat, besteht die Möglichkeit, persönliche Referenzen einzelner Mitarbeiter einzureichen, sofern dies durch den Auftraggeber ermöglicht wurde (siehe auch im Folgenden zur Zurechnung von Referenzen).
Zurechnung von Referenzen
Grundsätzlich kann die technische Leistungsfähigkeit nur durch Eigenleistung nachgewiesen werden. Allerdings ist bei freiberuflichen Leistungen zu berücksichtigen, dass diese personengebunden sind. Daher gilt nach der Rechtsprechung, dass ein Bewerber, der durch Neugründung, Verschmelzung oder Abspaltung aus einem Unternehmen hervorgegangen ist, das die Referenzen erarbeitet hat, sich auch auf diese Referenzen berufen kann, wenn er die gleichen Personen beschäftigt.
VK Südbayern, Beschluss v. 25.02.2021; Ebenso: VK Bund, Beschluss v. 27.01.22 – VK 2-137/21: Ausführendes Personal bzgl. IT- Wartung beruft sich nach Gründung eines neuen, eigenen Unternehmens auf Referenzen des vorgehenden Arbeitgebers
Im zweiten Teil des Blogartikels (April 2024) erfahren Sie das Neueste zur EEE, Präqualifikationssystemen, Besonderheiten bei zweistufigen Verfahren und was Auftraggeber nachfordern dürfen.