Präqualifikationssysteme
Bewerber und Bieter können sich auch auf eine bestehende Präqualifikation berufen. Sofern das Präqualifikationssystem den Anforderungen des Art. 64 der RL 2014/24/EU entspricht, dürfen die dort niedergelegten Unterlagen und Angaben vom öffentlichen Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen werden (Eignungsvermutung).
Die Teilnahme am Präqualifikationssystem dient der Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihrer Ersetzung. Die Erleichterung in Bezug auf die Beibringung ändert nichts daran, dass die Erfüllung der Eignungskriterien grundsätzlich vom Bieter nachzuweisen ist.
Auch bei einem präqualifizierten Bieter hat der öffentliche Auftraggeber daher zu prüfen, ob die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise die im konkreten Verfahren geforderten Eignungsangaben und Nachweise abdecken
OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.06.2022 – Verg 19/22
Ist ein Bieter gemäß PQ nur für Einzelleistungen präqualifiziert, die nicht alle Leistungsbereiche der Ausschreibung umfassen, kommt es darauf an, ob die Summe der Einzelreferenzen die ordnungsgemäße Erfüllung der Gesamtmaßnahmen erwarten lässt. Ist die Gesamtmaßnahme so komplex, dass mehrere Kleinreferenzen dies nicht vergleichbar abdecken, ist der Nachweis der Leistungsfähigkeit nicht erbracht.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.04.2022, Verg 35/21
Besonderheiten beim Teilnahmewettbewerb/Begrenzung der Anzahl der Bewerber
Die zweistufigen Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass zunächst ein Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird, in dem abschließend über die Eignung der Bewerber entschieden wird. Eine erneute Befassung mit den unternehmensbezogenen Anforderungen findet in der Angebotsphase grundsätzlich nicht statt. Dadurch wird ein Vertrauenstatbestand für die Bieter dahingehend begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, dass der AG die Eignung in der Angebotsphase auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage nachträglich abweichend beurteilt
BGH v. 7.1.2014 – X ZB 15/13
Eine Ausnahme besteht bei Umständen, die der Auftraggeber erst nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe erfahren hat oder die sich erst danach ereignet haben.
Aber ist der Auftraggeber auch dann an die festgestellte Eignung gebunden, wenn zwar kein neuer Sachverhalt vorliegt, der Bieter aber nur auf Grund eines Vergaberechtsverstoßes zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde?
Auch hier entsteht grundsätzlich der Vertrauenstatbestand. Mitbieter haben danach einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens im Teilnahmewettbewerb liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands (= Aufforderung zur Angebotsabgabe) hinzunehmen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.3.2021 – Verg 9/21
Der Vertrauenstatbestand kann aber nur entstehen, wenn der Auftraggeber die Eignung des Unternehmens abschließend festgestellt hat. Eine abschließende Feststellung der Eignung findet nicht statt, wenn der Bieter im Teilnahmewettbewerb nicht alle zur abschließenden Prüfung der Eignung relevanten Unterlagen eingereicht hat.
OLG Düsseldorf – Beschluss v. 27.04.2022 – Verg 25/21