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Selbstreinigung – wie man als Bieter trotz Verfehlungen im Rennen bleibt

Unternehmen, die einen vergaberechtlichen Ausschlusstatbestand verwirklichen, müssen in der Regel fürchten, für einen bestimmten Zeitraum von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen zu werden. Liegt ein zwingender Ausschlussgrund vor, sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, den Bieter auszuschließen. Bei fakultativen Ausschlussgründen liegt der Ausschluss im Ermessen des jeweiligen Auftraggebers.

In beiden Fällen muss jedoch mit der Verwirklichung des Ausschlusstatbestandes noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Vielmehr hat es der Bieter in der Hand, sich im Wege der Selbstreinigung zu bessern und dadurch den Ausschlussgrund entfallen zu lassen.

Voraussetzungen der Selbstreinigung

Im Oberschwellenbereich sind die Ausschlusstatbestände in den §§ 123 und 124 GWB geregelt. Praxisrelevante Fälle, die zu einem Ausschluss des Bieters führen können, betreffen etwa schwere Verfehlungen des Bieters im beruflichen Bereich (§ 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB), beispielsweise im Zusammenhang mit unzulässigen Kartellabsprachen (s. auch § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB), oder die Schlechtleistung des Bieters im Rahmen eines früheren öffentlichen Auftrags (§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB). Will ein Bieter in einer solchen Situation einen Ausschluss verhindern, muss er nachweisen, dass er sich einer Selbstreinigung unterzogen und damit trotz der begangenen Verfehlung seine Integrität wiederhergestellt hat.

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Eine erfolgreiche Selbstreinigung setzt gemäß § 125 Abs. 1 GWB drei Dinge voraus:

  1. Der Bieter muss den Schaden, den er durch sein Fehlverhalten verursacht hat, ausgeglichen oder zumindest seine Ersatzpflicht anerkannt haben.
  2. Der Bieter muss die Tatsachen, die mit dem Fehlverhalten und dem dadurch verursachten Schaden in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber umfassend geklärt haben.
  3. Der Bieter muss konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen haben, um künftiges Fehlverhalten zu vermeiden.

Die Verpflichtung zum Schadensausgleich umfasst i. d. R. alle durch das Fehlverhalten entstandenen Schäden, unabhängig davon, bei wem sie entstanden sind. Dies können beispielsweise Schäden sein, die dem öffentlichen Auftraggeber durch einen Kartellverstoß des Bieters und dadurch verursachte überhöhte Einkaufspreise entstanden sind. Es können aber auch Schäden sein, die ein Bieter dadurch hervorgerufen hat, dass er bei einem früheren Auftrag seinen Pflichten unzureichend nachgekommen ist.

Hinsichtlich der vom Bieter geforderten Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung wird dem Bieter eine umfassende Kooperation mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber abverlangt. Es genügt nicht, dass der Bieter lediglich behördliche Ermittlungen duldet und sich ansonsten zurückhält. Vielmehr hat er von sich aus aktiv zu werden und beispielsweise durch interne Ermittlungen oder die Einschaltung Dritter dafür zu sorgen, dass das Fehlverhalten und der entstandene Schaden restlos aufgeklärt werden.

Um zu vermeiden, dass sich das begangene Fehlverhalten wiederholt, hat der Bieter zudem geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die seine künftige Regeltreue sicherstellen sollen. Hierzu kann es beispielsweise gehören, sich von betroffenen Mitarbeitern oder Geschäftspartnern zu trennen oder interne Abläufe umzustrukturieren. In vielen Fällen wird es erforderlich sein, dass der Bieter darüber hinaus wirksame interne Kontrollsysteme etabliert, die gewährleisten, dass künftige Verstöße vermieden oder zumindest umgehend aufgedeckt werden.

Verfahrensweise

Der betroffene Bieter hat seine Selbstreinigungsmaßnahmen demjenigen öffentlichen Auftraggeber nachzuweisen, der den jeweiligen Auftrag vergibt. Bewirbt sich ein Bieter um mehrere Aufträge gleichzeitig, hat er also ggf. in jedem der Vergabeverfahren einen entsprechenden Nachweis zu führen.

Der Auftraggeber bewertet die vom Bieter ergriffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Schwere und der Umstände des Fehlverhaltens und trifft auf dieser Grundlage eine Entscheidung, die gegenüber dem Bieter zu begründen ist (§ 125 Abs. 2 GWB). Maßstab für die Entscheidung des Auftraggebers ist die Prognose, ob die getroffenen Maßnahmen ausreichen, um die Integrität des Bieters wiederherzustellen. Fällt diese Prognose positiv aus, kann der Bieter nicht mehr auf Grund seines Fehlverhaltens von dem jeweiligen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Seit das bundesweite Wettbewerbsregister seinen Betrieb aufgenommen hat, können Unternehmen, die wegen einer Verfehlung in das Wettbewerbsregister eingetragen sind, ihre Selbstreinigung auch gegenüber dem Bundeskartellamt nachweisen. Gelingt dem Unternehmen dieser Nachweis, wird die Registereintragung vorzeitig gelöscht (§ 8 WRegG). Ferner ist es möglich, im Wettbewerbsregister die Information zu hinterlegen, dass ein Unternehmen Selbstreinigungsmaßnahmen ergriffen hat (§ 3 Abs. 2 WRegG). Auftraggeber können dann im Zuge eines Registerabrufs sowohl von einer etwaigen Eintragung als auch von den Maßnahmen des Unternehmens Kenntnis nehmen.

Fazit

Mit der Selbstreinigung eröffnet das Vergaberecht Bietern die Chance, sich trotz einer begangenen Verfehlung weiter um öffentliche Aufträge zu bewerben.

Die Anforderungen an eine erfolgreiche Selbstreinigung sind hoch und zielen auf eine umfassende Wiederherstellung der Integrität des betroffenen Unternehmens. Welche konkreten Maßnahmen erforderlich sind, hängt stets von den Einzelheiten des begangenen Fehlverhaltens ab.

Unternehmen, die häufiger für öffentliche Auftraggeber arbeiten und in die Situation eines Ausschlusstatbestandes geraten, sollten daher frühzeitig an eine Selbstreinigung denken und so rasch wie möglich eine strukturierte und wohlüberlegte Vorgehensweise festlegen. Nur so können sie sich die Möglichkeit bewahren, auch in Zukunft öffentliche Aufträge zu erhalten.