Fachbeitrag

Zwingende Ausschlussgründe – Ausschluss ohne Ausweg?

Liegt bei einem Bieter ein zwingender Ausschlussgrund vor, schließt ein öffentlicher Auftraggeber diesen Bieter zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme aus. Dem Auftraggeber bleibt dabei keine Wahl. Der zwingende Ausschluss kann dann nur durch Selbstreinigung oder Zeitablauf verhindert werden.

Welche zwingenden Ausschlussgründe gibt es?

Zwingende Ausschlussgründe sind in erster Linie bestimmte Straftaten, die sich unmittelbar auf die Eignung des Bieters auswirken. Die Straftaten sind in § 123 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 GWB aufgeführt. Zu den Straftaten zählen z.B. die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen (§ 129, § 129a StGB), die Terrorismusfinanzierung (§ 89c StGB), die Geldwäsche und Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte (§ 161 StGB), der Betrug (§ 263 StGB) und der Subventionsbetrug (§ 264 StGB). Zu einem zwingenden Ausschluss führt es auch, wenn ein Unternehmen seiner Verpflichtung zur Zahlung von Steuern, Abgaben oder Beiträgen zur Sozialversicherung nicht nachgekommen ist und dies durch eine rechtskräftige gerichts- oder bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde oder anderweitig nachgewiesen werden kann (§ 123 Abs. 4 GWB).

Kenntnis des Auftraggebers

Der Ausschluss eines Unternehmens aufgrund eines zwingenden Ausschlussgrundes setzt die Kenntnis des öffentlichen Auftraggebers über den Ausschlussgrund voraus. Die Kenntnis muss sich darauf beziehen, dass eine Person, deren Verhalten einem Unternehmen zuzurechnen ist, rechtskräftig aufgrund einer Straftat nach § 123 Abs. 1 GWB verurteilt oder gegen das Unternehmen eine Geldbuße nach § 30 OWiG rechtskräftig festgesetzt worden ist.

Heißt zwingender Ausschluss tatsächlich zwingend oder gibt es Möglichkeiten, den Ausschluss zu verhindern?

Der Ausschluss ist in der Regel zwingend. Von einem Ausschluss aufgrund einer Katalogstraftat kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dies „aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist“, bzw. der Ausschluss „offensichtlich unverhältnismäßig“ wäre (§ 123 Abs. 5 GWB).

Gemeint sind damit Ausnahmefälle wie die Beschaffung dringend benötigter Impfstoffe oder Notfallausrüstungen, die nur bei einem Unternehmen beschafft werden können. Auch wenn hier ein Ausschlussgrund vorliegen würde, findet die Beschaffung bei dem Unternehmen dennoch aus „zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses“ statt.

Diese Ausnahmen sind im Alltag jedoch sehr selten. Ein zwingender Ausschluss kann deshalb zumeist nur dadurch abgewendet werden, dass das Unternehmen Selbstreinigungsmaßnahmen (§ 125 GWB) durchführt. Die Selbstreinigung dient dazu, die Eignung wiederherzustellen. Die Anforderungen an die Selbstreinigung ergeben sich aus § 125 Abs. 1 GWB.

Wenn keine Selbstreinigung stattfindet, darf ein Unternehmen trotzdem nur fünf Jahre ab dem Tag der rechtskräftigen Verurteilung von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden (§ 126 Nr. 1 GWB). Eine zeitlich unbefristete „Vergabesperre“ ist nicht erlaubt.

Ausschlussgründe so gering wie möglich halten

Unternehmen sollten mit Blick auf die Teilnahme an Vergabeverfahren jede Verfehlung vermeiden, die zum Ausschluss führen könnte. Ist eine „Ausschluss-Verfehlung“ schon eingetreten, sollten umfangreiche Selbstreinigungsmaßnahmen erfolgen. Mit der Angebotsabgabe ist dem öffentlichen Auftraggeber dann nachzuweisen, dass eine erfolgreiche Selbstreinigung durchgeführt wurde. Ein Ausschluss kann dann regelmäßig verhindert werden.

Eigenerklärung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen

Nachdem ein öffentlicher Auftrag nur an ein geeignetes Unternehmen erteilt werden darf (Eignungsgrundsatz), fragen öffentliche Auftraggeber die Eignung bzw. das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen in öffentlichen Ausschreibungen ab. Das passiert zumeist durch Eigenerklärungen. Damit erklärt ein Bieter, dass weder zwingende noch fakultative Ausschlussgründe vorliegen. Meistens stellen öffentliche Auftraggeber für diese Erklärungen ein Formular zur Verfügung, das für die Angebotsabgabe genutzt werden muss.

Gibt es Unterschiede bei VgV, VOB/A 2019, UVgO?

Der Katalog der zwingenden Ausschlussgründe ergibt sich aus dem GWB und zwar aus § 123 GWB. Die VgV verweist auf diese Ausschlussgründe (vgl. § 42 Abs. 1 VgV). Die VOB/A 2019 enthält für Oberschwellenvergaben hingegen mit § 6e VOB/A-EU eine dem § 123 GWB entsprechende Regelung.

Im Unterschwellenbereich verweist die UVgO auf die zwingenden Ausschlussgründe des § 123 GWB (vgl. § 31 Abs. 1 UVgO). Der erste Abschnitt der VOB/A 2019 enthält mit § 16 eine eigene Ausschlussregelung. Auch die VOL/A, die in vielen Ländern schon durch die UVgO ersetzt wurde, enthält mit § 16 Abs. 3 VOL/A noch einen eigenen Katalog zwingender Ausschlussgründe.

Kann man sich gegen einen Angebotsausschluss wehren?

Wird ein Unternehmen aufgrund eines zwingenden Ausschlussgrundes aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen, kann das Unternehmen vor die Vergabekammer „ziehen“. Es muss dann aber auch darlegen können, weshalb der Ausschluss nicht rechtmäßig war, etwa weil eine erfolgreiche Selbstreinigung durchgeführt wurde oder die Fristen des § 126 GWB abgelaufen sind.

Autor

Dr. Corina Jürschik ist seit 2013 Rechtsanwältin und Fachanwältin für Vergaberecht in der Kanzlei OPPENLÄNDER Rechtsanwälte in Stuttgart. Im Vergaberecht berät sie Bieter bei der Durchsetzung ihrer vergaberechtlichen Ansprüche sowie öffentliche Auftraggeber bei der rechtssicheren Gestaltung von Vergabeverfahren. Sie publiziert regelmäßig im Bereich Vergaberecht und hält Fachvorträge.

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