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Nachträge nach der Vergaberechtsreform

Nachdem sich Teil 1 dieser Blogserie mit den – noch – aktuellen diesbezüglichen Regelungen sowie der Rechtsprechung auseinandersetzte, wird nachfolgend aufgezeigt, wie die Nachtragsbeauftragung nach der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien aus 2014 im nationalen Recht geregelt ist.

Nachträge nach „neuem“ Vergaberecht

Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit sind künftig in § 132 GWB (neue Fassung) geregelt. Bei dieser Vorschrift handelt es sich im Wesentlichen um die Kodifizierung der Rechtsprechung, insbesondere der in Teil 1 dieser Blogserie erwähnten.
Demnach erfordern wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit nach wie vor ein neues Vergabeverfahren. Unter wesentlichen Änderungen versteht man Änderungen, die dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet.

Interessant ist allerdings die ausdrückliche Freistellung solcher Änderungen, die in den ursprünglichen Vergabeunterlagen durch klare, genaue und eindeutig formulierte Überprüfungsklauseln oder Optionen vorgesehen sind. Letztere müssen Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen möglicher Auftragsänderungen enthalten, und aufgrund der Änderung darf sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändern.

Ferner soll die Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig sein, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert und der Wert der Änderung sowohl die jeweiligen EU-Schwellenwerte nicht übersteigt, als auch bei Liefer– und Dienstleistungsaufträgen nicht mehr als 10 Prozent und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen (!) Auftragswertes beträgt. Dies impliziert, dass zwar mehrere Änderungen grundsätzlich möglich sein können, jeweils aber für die Wertberechnung im vorgenannten Sinne der Auftragswert des ursprünglichen, ersten Auftrags maßgeblich ist. Bei mehreren aufeinander folgenden Änderungen ist der Gesamtwert der Änderungen maßgeblich, wodurch eine Stückelung ausgeschlossen ist.

Enthält der Vertrag eine Indexierungsklausel, wird für die Wertberechnung der höhere Preis als Referenzwert herangezogen. Und natürlich sind solche Änderungen im Amtsblatt der Europäischen Union bekanntzugeben.

 

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Fazit

Für Auftraggeber bedeutet eine Nachbeauftragung im Wege einer Direktvergabe jetzt und auch künftig einen erhöhten Prüfungs- und Dokumentationsaufwand, um das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale der Ausnahmeregelungen zu erfassen. Auftragnehmer laufen außerdem Gefahr, dass mit ihnen abgeschlossene Nachtragsvereinbarungen für nichtig erklärt werden können, falls ein Konkurrent dies bei der Vergabekammer beantragt und die Beauftragung vergaberechtswidrig erfolgt ist. Solche Verträge wären nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) rückabzuwickeln.

Auftraggeber wie Auftragnehmer sollten daher Vorsicht walten lassen, wenn es darum geht, bestehende Verträge ein „wenig“ anzupassen, zu ändern oder zu erweitern. Dies umso mehr, wenn durch solche Änderungen nicht nur eine eigene Vereinbarung in Form eines Nachtrags geschlossen, sondern direkt durch eine Neuregelung in das ursprüngliche Vertragswerk eingegriffen wird. Dann ist nämlich unter Umständen nicht nur der Nachtrag unwirksam, sondern der komplette geänderte Vertrag, also derjenige, den man ursprünglich aufwendig im Wettbewerb ausgeschrieben hatte.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich gegebenenfalls weitere Möglichkeiten der Direktbeauftragung eines Unternehmens auch aus einer – nicht vom öffentlichen Auftraggeber selbst herbeigeführten – Dringlichkeit oder aufgrund eines objektiven Alleinstellungsmerkmals für ein Unternehmen ergeben können. Bei unvorhersehbaren Entwicklungen kommt eine interimsweise Vergabe in Betracht, die allerdings grundsätzlich die Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens erfordert.