Einfach abhaken – der Ablauf einer Rüge
- Wann müssen Bieterfragen gestellt werden
- Zeitplan für die Rügeerhebung
- Formale Ansprüche der Rüge
- Wann ist ein Nachprüfungsantrag einzureichen
Eine Kommune schreibt ein größeres Bauprojekt aus. 25 Mio. Euro Zuschüsse kann sie für das Vorhaben bekommen – wenn ein bestimmter Fertigstellungstermin eingehalten wird.
In so einer Situation ist es mehr als verständlich, dass die Kommune keine Verzögerungen durch eine Klage eines leer ausgegangenen Bieters bei der Vergabekammer riskieren will, sagt Dr.-Ing. Ulrich Scholz, ISP Scholz Beratende Ingenieure AG, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.
Früher gab es sehr viel mehr die Möglichkeit, über technisch herausragende Vorschläge im Nebenangebot den Zuschlag zu erhalten – beispielsweise durch eine Alternativlösung, mit der ein früherer Fertigstellungstermin erreichbar wäre. Da sich aber viele Jahre lang fast immer ein Prozess anschloss, wenn ein Nebenangebot den Zuschlag erhalten hatte, würden Nebenangebote heute weitgehend ausgeschlossen. „Da haben die Bieter viel kaputt gemacht.“
Im Bereich der VOF-Vergaben wurde noch eher als bei Vergaben nach VOB die Möglichkeit genutzt, mit anderen Zuschlagskriterien als dem Preis zu arbeiten, sagt Dr. Scholz, der selber für Bauherren Ausschreibungen macht und dafür Vorgaben für die Durchführung samt Wertung bekommt und andererseits als Planer die Rolle des Bieters innehat.
Einfach abhaken – der Ablauf einer Rüge
Natürlich machten es sich manche Ausschreiber oft sehr einfach und setzten auf den Preis als Zuschlagskriterium, weil der eindeutig mess- und wertbar ist – während bei Kriterien wie „bessere Qualität“, erwartbar „höhere Termintreue“ viel angezweifelt werden kann. „Bieter versuchen schon sehr viel, um über die juristische Schiene noch an einen Auftrag zu kommen“, sagt Dr. Scholz. „Wenn wenigstens die Gerichte mehr Augenmaß walten und den Klagen weniger oft stattgeben würden wegen selbst kleinster formaler Fehler, beispielsweise einem Haken, der neben statt im Kästchen gesetzt, einer Unterschrift, die vergessen wurde – Kleinigkeiten, die der Ausschreiber auch nicht nachholen lassen darf.“ Woher der Wettbewerber davon überhaupt wisse? Manchmal werde auf Verdacht geklagt, weiß Dr. Scholz aus der Praxis, dann bekommt man Einblick in die Unterlagen.
Die Verrechtlichung des öffentlichen Bauens führe dazu, dass auf vielen Baustellen nur noch Stress herrsche und Rechtsthemen dominierten, bestätigt Christine Machacek, Geschäftsführerin der Allgäuer Säbu-Holzbau GmbH. Die Beteiligung qualifizierter professioneller Bieter sieht sie als Lösung. Bei beschränkten Ausschreibungen könnten durch entsprechende Mehrarbeit im Vorfeld wirklich für die Bauaufgabe qualifizierte Unternehmen eingeladen werden. „Die Projekte laufen dann partnerschaftlicher ab.“ Allerdings sind beschränkte Ausschreibungen nur unter eng gefassten Voraussetzungen zulässig.
Auch das Bundesbauministerium will die Eignung von Planern und Bauunternehmen mehr berücksichtigt sehen. Die Vergabestellen der Bundesbauverwaltung sollen dabei unterstützt werden, „die Ermessensspielräume bei der Eignungsprüfung verstärkt zu nutzen und besonders mit stärkerem Fokus auf die projektspezifischen Anforderungen ungeeignete… Bieter/Bewerber konsequent auszuschließen“, heißt es im Papier „Reform Bundesbau“ vom März 2016.
Dr. Scholz wünscht sich, dass Streitpunkte viel stärker in außergerichtlichen Verfahren, mit Hilfe eines Mediators, im Rahmen einer Schlichtung beigelegt würden. Es gebe Ansätze dazu, die seien aber kaum bekannt und würden zu wenig genutzt. Außerdem müsste solch ein Schlichtungsverfahren institutionalisiert, am besten verpflichtend vorgeschrieben werden vor einer Klage. „Eine Mediation macht nur Sinn, wenn sich beide Seiten ernsthaft darauf einlassen, damit nicht anschließend die Seite, die sich ihrer Ansicht nach nicht oder zu wenig durchsetzen konnte, doch wieder klagt“. Das würde die Verfahrensverzögerung sogar noch verlängern, statt verkürzen.
Dr.-Ing. Ulrich Scholz: „Bieter und Gerichte gleichermaßen sollten den Ermessungsspielraum von Vergabestellen besser akzeptieren.“