Fachbeitrag

Teststellungen – Das müssen Bieter wissen

Öffentliche Auftraggeber verlassen sich bei der Angebotswertung regelmäßig auf die Angaben, die Bieter zu ihren Leistungen in den Angeboten gemacht haben. Auftraggeber können jedoch auch das Instrument der Teststellung nutzen, um die von den Bietern angebotenen Leistungen vor der Zuschlagserteilung zu testen. Bieter sollten daher wissen, was in einem solchen Fall zu beachten ist.

Was sind Teststellungen?

Eine Teststellung ist die Vorführung und der praktische Test der vom Bieter angebotenen Leistung. Bei Teststellungen ist zwischen sogenannten verifizierenden und wertenden Teststellungen zu unterscheiden. Eine verifizierende Teststellung dient nach Abschluss einer Wertung nach Aktenlage der bloßen Überprüfung, ob bestimmte Kriterien eingehalten sind. Eine wertende Teststellung ist hingegen selbst Wertungsbestandteil und geht mit einem festgelegten Gewicht in die Gesamtbewertung ein. Die verifizierende Teststellung kann über den Ausschluss eines Angebots gemäß § 57 GWB wegen Änderung der Vergabeunterlagen entscheiden. Sie wirkt sich aber nicht auf die Positionierung eines wertungsfähigen Angebotes im Angebotsranking aus. Demgegenüber dient die wertende Teststellung dazu, einen Vergleich zwischen den angebotenen Leistungen anzustellen und das Ergebnis für die Wirtschaftlichkeitswertung zu verwenden.

Woran können Bieter die Art der Teststellung erkennen?

Wenn Auftraggeber die Durchführung einer Teststellung beabsichtigen, müssen sie dies in den Vergabeunterlagen bekanntmachen. Der Auftraggeber muss die Bieter über das Ziel, die zu überprüfenden Mindestkriterien, die Bewertungsmethode sowie gegebenenfalls auch über die vorgesehenen Einzeltests rechtzeitig informieren. Die Auslegung der Vergabeunterlagen erfolgt aus der Perspektive eines fachkundigen Bieters. Die folgenden Beispiele können Bietern bei der Abgrenzung zwischen verifizierenden und wertenden Teststellungen behilflich sein.

Für eine wertende Teststellung können die folgenden Merkmale sprechen:

  • Der Auftraggeber gibt einen Katalog mit Kriterien bekannt, anhand derer die Teststellung erfolgen soll. Insbesondere Kriterienkataloge, die mit Wertungspunkten verknüpft sind (Bewertungsmatrix), können ein starker Anhaltspunkt für eine wertende Teststellung sein.
  • Der Auftraggeber lädt alle Bieter zur Durchführung der Teststellung ein.
  • Die Teststellung führt nur zu einem Angebotsausschluss, wenn von den Bietern eine bestimmte Mindestpunktzahl nicht erreicht wird.

Für eine verifizierende Teststellung können die folgenden Merkmale sprechen:

  • Der Auftraggeber verlangt die Präsentation und den Test des Produkts, dass allen Anforderungen des Angebots exakt entspricht.
  • Zum Test wird nur der Bestbieter eingeladen. Weitere Bieter in der Rangfolge werden nur dann berücksichtigt, wenn die Testung bei einem oder mehreren Bietern ergibt, dass die Leistungsanforderungen gemäß Leistungsverzeichnis nicht bestätigt werden.
  • Bieter werden mit ihren Angeboten vom Verfahren ausgeschlossen, wenn die Testung ergibt, dass die Angebote einzelne Anforderungen der Leistungsbeschreibung nicht erfüllen.

Tipps für Bieter

  • Gründliche Durchsicht der Vergabeunterlagen: Bieter müssen anhand der Vergabeunterlagen beurteilen können, was der Auftraggeber fordert. Bei Unklarheiten kann es hilfreich sein, Bieterfragen zu stellen.
  • Auswahl des Testprodukts: Auswahl eines Testprodukts, dass entweder den wertungsrelevanten Qualitätskriterien (wertende Teststellung) oder sämtlichen Anforderungen des Leistungsverzeichnisses (verifizierende Teststellung) entspricht.
  • Ggf. Ausschluss prüfen: Auf welche Gründe hat der Auftraggeber den Ausschluss eines Angebots gestützt? War dieser Ausschlussgrund in den Vergabeunterlagen transparent bekanntgegeben?

Fazit

Bei der Beschaffung von komplexen Leistungen, insbesondere bei IT-Beschaffungen, ist die Durchführung von Teststellungen ein beliebtes Instrument auf Auftraggeberseite. Je nach Art der Teststellung können sich unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben. Bei der Auslegung der Vergabeunterlagen sollten Bieter daher untersuchen, ob der Auftraggeber mit der Teststellung eine Wertung vornehmen möchte oder überprüfen möchte, dass die zum Test zur Verfügung gestellte Leistung mit den Angaben im Angebot übereinstimmt.

Autor

Sebastian Weirauch studierte Rechtswissenschaften in Bremen mit dem Schwerpunkt „Umweltrecht und öffentliches Wirtschaftsrecht“. Seit Anfang 2024 ist Sebastian Weirauch als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskanzlei BBG und Partner tätig. Dort berät er bundesweit im öffentlichen Personenverkehr in erster Linie Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs bei der Vorbereitung und Durchführung von Verfahren zur Vergabe von Verkehrsleistungen sowie bei der Vertragsgestaltung. Außerdem berät er zu Fragen im Zusammenhang mit dem Vertragsvollzug und in Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern und -senaten. Im öffentlichen Auftragswesen berät Sebastian Weirauch sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Bieter bei der Durchführung von bzw. der Teilnahme an Verfahren zur Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen. Homepage: https://www.bbgundpartner.de/mitarbeiter/sebastian-weirauch/

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