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Service, Nachrichten
15.08.2013, Deutschland

Nachprüfungsverfahren bei EU-Vergabeverfahren

Die Auftragsberatungsstellen gaben im Juni-Newsletter wertvolle Hinweise und Informationen zum Nachprüfungsverfahren bei EU-Vergabeverfahren.

Gesetzliche Grundlagen

Die Grundsätze des EU-Vertrags wie Niederlassungsfreiheit, Transparenz, Gleichbehandlung, etc. gelten für alle öffentlichen Vergabeverfahren. Allerdings gibt es nur in Vergabeverfahren mit Auftragswerten oberhalb der EU-Schwellenwerte einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Einhaltung der Vergabevorschriften. Mit einem Nachprüfungsverfahren kann ein Vergabeverfahren auf Fehler überprüft werden. Ziel des Nachprüfungsverfahrens ist neben dem Rechtsschutz gegen den drohenden Zuschlag im Vergabeverfahren die Gewährleistung von Transparenz und Chancengleichheit für Bieter und Bewerber. Die Vorschriften über das Nachprüfungsverfahren sind Bestandteil des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge. Ergänzt werden diese durch die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV). Bei öffentlichen Ausschreibungen unterhalb der EU-Schwellenwerte besteht bundesweit bislang nur in Thüringen durch das Thüringer Vergabegesetz Primärrechtsschutz. Bieter können ein Nachprüfungsverfahren vor der Thüringer Vergabekammer anstrengen, wenn folgende Gesamtauftragswerte erreicht werden: Baubereich (VOB/A): 150.000 Euro, sonstige Lieferungen und Leistungen (VOL/A): 50.000 Euro.

Wie wird ein Nachprüfungsantrag gestellt?

Das Nachprüfungsverfahren ist unter den Voraussetzungen der Paragraphen 107 und 108 GWB zulässig und setzt einen schriftlichen Antrag eines Bieters an die Vergabekammer voraus: der Nachprüfungsantrag ist nach Paragraph 108 Absatz 1 Satz 1 GWB unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern des Antragstellers, zu begründen. Auch andere Bieter, die den Zuschlag bei einem öffentlichen Auftrag erhalten sollen, können als Beigeladene an einem Nachprüfungsverfahren beteiligt sein. Die Begründung eines Nachprüfungsantrages muss folgende Unterlagen und Angaben enthalten:

  • Kopie des Vorabinformationsschreibens der Vergabestelle nach § 101a Abs. 1 GWB,
  • die Darlegung eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften durch Kopien der Ausschreibungsunterlagen, die obige Angaben belegen,
  • sowie eines Schadens, der dem Bieter durch die Rechtsverletzung droht (Paragraph 107 Absatz 2 GWB),
  • die Bezeichnung des Auftraggebers,
  • eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit einer Darstellung des Sachverhalts und der Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel,
  • Kopie des Rügeschreibens sowie der Stellungnahme der Vergabestelle (soweit vorhanden) (Rügeobliegenheit – Siehe dazu das Thema des Monats im Newsletter April 2013),
  • Nachweis über die Zahlung des Vorschusses

Ablauf eines Nachprüfungsverfahrens

Das Verfahren beginnt, sobald der Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingegangen ist. Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das folgende Voraussetzungen darlegen kann:

  • ein Interesse an dem Auftrag
  • die Verletzung seiner Rechte durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften
  • ein bereits entstandener oder ein drohender Schaden

Zunächst wird geprüft, ob der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Falls nicht, wird der öffentliche Auftraggeber von dem Antrag informiert. Gleichzeitig fordert die Vergabekammer die Vergabeakten beim Auftraggeber an. Mit der Information des Auftraggebers durch die Vergabekammer wird ein Zuschlagsverbot ausgelöst (Suspensiveffekt). Die Vergabekammer lädt Unternehmen zum Nachprüfungsverfahren bei, deren Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden.

Aufgrund eines Nachprüfungsantrags klärt die Vergabekammer den Sachverhalt von Amts wegen auf und befindet darüber grundsätzlich innerhalb einer Entscheidungsfrist von fünf Wochen. Falls der Antrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, entscheidet die Vergabekammer aufgrund mündlicher Verhandlung. Mit Zustimmung der Beteiligten kann die Vergabekammer nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Gegen Entscheidungen der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Eine sofortige Beschwerde entfaltet aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer, die grundsätzlich zwei Wochen nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist, also vier Wochen nach Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer, entfällt. Auf Antrag des Beschwerdeführers kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Zuständige Nachprüfungsinstanzen

In erster Instanz werden die Vergabekammern angerufen – in zweiter Instanz sind die Vergabesenate der Oberlandesgerichte zuständig. Schlussendlich kann der Bundesgerichtshof mit der Überprüfung beauftragt werden. Es gibt Vergabekammern des Bundes und der Länder. Die Vergabekammern des Bundes sind beim Bundeskartellamt eingerichtet. Die für die Länder jeweils zuständige Vergabekammer einschließlich der zuständigen Ansprechpartner kann auf den Internetseiten der Kanzlei Boesen Rechtsanwälte eingesehen werden. Wenn die Vergabestelle dem Bund zuzurechnen ist, sind die Vergabekammern des Bundes zuständig. Andernfalls ist eine Vergabekammer der Länder zuständig.

Tipps für Unternehmen

  • Der Antrag auf Nachprüfung ist schriftlich zu stellen. Dabei genügt ein Telefax, was aufgrund der Dringlichkeit zu empfehlen ist.
  • Der Antragsteller kann Akteneinsicht beantragen (§ 111 GWB).
  • Der Nachprüfungsantrag ist innerhalb der Informations- und Wartefrist nach § 101a Abs. 1 GWB zu übermitteln, damit die Vergabekammer diesen auf Unzulässigkeit oder Unbegründetheit prüfen und vor Ablauf der Frist an die Vergabestelle übermitteln kann. Das gesetzliche Zuschlagsverbot wird erst mit Übermittlung des Nachprüfungsantrags an die Vergabestelle ausgelöst. Falls sich der Auftraggeber weigert, einer Rüge abzuhelfen, ist die 15-Tages-Frist gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB zu beachten.
  • Einen wirksam erteilten Zuschlag kann die Vergabekammer nicht mehr aufheben. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlages, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, kann der Nachprüfungsantrag dahin umgestellt werden, prüfen zu lassen, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat, die zu Schadensersatzleistungen führen könnte.
  • Informationen rund um das Nachprüfungsverfahren sowie Rechtsvorschriften finden sich auf der Internetseite des Bundeskartellamtes (www.bundeskartellamt.de mit dem Suchbegriff „Vergaberecht“). Unternehmen sollten prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, frühzeitig den Rat eines auf Vergaberecht spezialisierten Rechtsanwalts einzuholen.

Tipps für Vergabestellen

  • Da sich ein Nachprüfungsverfahren negativ auf den Zeitablauf eines Vergabeverfahrens und auf die Auftragsvergabe auswirkt, ist es empfehlenswert, Rügen eines Bieters ausreichend Beachtung zu schenken und ggf. entsprechend Abhilfe zu schaffen.
  • Falls es zu einem Nachprüfungsverfahren kommt, werden die Vergabeakten von der Vergabekammer angefordert. Die Vergabeakte muss es ermöglichen, die im Vergabeverfahren getroffenen Entscheidungen nachzuvollziehen. Daher sollte das Vergabeverfahren von Anfang an lückenlos und fortlaufend dokumentiert werden.
  • Der Wert eines beabsichtigten Auftrags darf nicht in der Absicht geschätzt oder aufgeteilt werden, dass der Auftrag nicht europaweit ausgeschrieben werden muss und dadurch kein Nachprüfungsverfahren drohen könnte.

Quelle: Auftragswesen Aktuell Nr. 6, Juni 2013 – Newsletter der Auftragsberatungsstellen

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