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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Bauleistungen zusammenrechnen

Stellt eine aufgeteilte Leistung in ihrer technischen und wirtschaftlichen Funktion eine Einheit dar, muss zusammengerechnet werden.

Ein Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt hatte Bagger- und Transportleistungen für eine Bundeswasserstraße als Bauleistungen in einer (nationalen) öffentlichen Ausschreibung vergeben wollen. Der Netto-Auftragswert lag bei isolierter Betrachtung der fraglichen Bagger- und Transportleistungen unterhalb des maßgeblichen EU-Schwellenwertes für Bauleistungen. Ein Bauunternehmer hat bestbietend an der öffentlichen Ausschreibung teilgenommen. Die Vergabestelle hob die öffentliche Ausschreibung allerdings unter Hinweis auf einen wirtschaftlich-funktionalen Zusammenhang der ausgeschriebenen Leistungen mit einer weiteren zuvor beauftragten Leistung zur Entsorgung des Baggerguts auf, weil insgesamt der EU-Schwellenwert von 5,225 Millionen Euro überschritten würde und die Bagger- und Transportleistungen deshalb nach europaweiter Bekanntmachung im offenen Verfahren zu vergeben seien. Gegen diese Entscheidung beantragte der Bestbieter eine einstweilige Verfügung beim zuständigen Zivilgericht. Das zuletzt angerufene Oberlandesgericht Köln bestätigte die Aufhebung und beabsichtigte Vergabe im offenen Verfahren.

Das Urteil des OLG Köln

Die für die Wahl des zu beachtenden Vergabeverfahrens maßgebliche Ermittlung des Netto-Auftragswertes regelt § 3 VgV. Nach der Verordnungsbegründung ist eine Aufteilung nicht gerechtfertigt, wenn die aufgeteilte Leistung, im Hinblick auf ihr technische und wirtschaftliche Funktion einen einheitlichen Charakter aufweist. Im Rahmen dieser funktionellen Betrachtungsweise sind organisatorische, inhaltliche, wirtschaftliche sowie technische Zusammenhänge zu berücksichtigen. Anhand dieser Kriterien ist zu bestimmen, ob Teilaufträge untereinander auf solch eine Weise verbunden sind, dass sie als ein einheitlicher Auftrag anzusehen sind. Die Auftragswerte derart miteinander verknüpfter Leistungen sind zusammenzurechnen, auch wenn sie aufeinanderfolgend erbracht werden.

Daraus folgt nach Ansicht der Kölner Richter, dass ein Auftraggeber auch dann, wenn er beabsichtigt, Leistungen in verschiedenen Abschnitten ausführen zu lassen, von einem Gesamtauftrag ausgehen muss, wenn diese Leistungen in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionale Kontinuität aufweisen. Gemessen an diesen Grundsätzen stellen die Bagger- und Transportleistungen sowie die Entsorgung des Baggerguts bei funktionaler Betrachtung einen einheitlichen Bauauftrag nach § 3 VgV dar. Denn sämtliche ausgeschriebenen Einzelleistungen dienen der Wiederherstellung des Sollprofils der Fahrrinne in der Bundeswasserstraße. Der so definierte Werkerfolg ist zu erreichen durch Ausbaggern der Fahrrinne, Transport des Baggerguts von der Bagger- zur Entsorgungsstelle und Entsorgung des Baggerguts.

Fazit

Mit der Entsorgung des Baggerguts stehen die Bagger- und Transportleistungen in einem unmittelbaren, organisatorischen, inhaltlichen, wirtschaftlichen und technischen Zusammenhang. Zur Erfüllung des auf Freihalten der Fahrrinne gerichteten Bauvorhabens sind drei Arbeitsschritte notwendig: Ausbaggern, Transport und Entsorgung des Baggerguts. Diese Leistungen bauen unmittelbar aufeinander auf und bedingen einander mit der Folge, dass sie notwendig in enger räumlicher, zeitlicher und technischer Abstimmung zu koordinieren sind. Auch wenn die drei Arbeitsschritte bzw. Leistungen unbedenklich in einzelnen Teilaufträgen vergeben werden können, ändert dies unter Heranziehung der zur Ermittlung des vergaberechtlichen Netto-Auftragswertes gebotenen rein funktionellen Betrachtungswiese nichts daran, dass die Teilaufträge verbunden sind und für die Schätzung des Netto-Auftragswertes als ein einheitlicher Auftrag zu behandeln sind, so das Kölner Oberlandesgericht.

Quelle: Beitrag von Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg, in der Bayerischen Staatszeitung, Ausgabe 21/2017

Autor: Holger Schröder

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