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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Geht nicht, gibt's nicht?

Da wäre eine Markterkundung wohl gut gewesen: Enthält die Leistungsbeschreibung eine unmögliche Forderung, darf ein Bieter nicht wegen Nichterfüllung der Forderung ausgeschlossen werden.

Eine Vergabestelle schrieb im Rahmen des Neubaus einer Feuer- und Rettungswache das Gewerk „Gebäudeautomation“ als Bauauftrag in einem europaweit offenen Verfahren nach der VOB/A-EU aus. In der Leistungsbeschreibung war unter anderem ein Touchpanel zur Bedienung der Automationsstation gefordert. Dieses Touchpanel musste bei eingeschalteter Hintergrundbeleuchtung eine Leistungsaufnahme von 4,5 Watt sicherstellen. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis.

Preislich Bestbietender wurde ausgeschlossen

Das preislich bestbietende Unternehmen wurde vom Auftraggeber ausgeschlossen, weil es die erforderlichen technischen Produktspezifikationen für das Touchpanel nicht erfüllte. Nach erfolgloser Rüge seines Ausschlusses beantragte der erstplatzierte Unternehmer die Nachprüfung und begründete seinen Antrag unter anderem damit, dass die Vorgabe einer Leistungsaufnahme von 4,5 Watt bei eingeschalteter Hintergrundbeleuchtung technisch unmöglich sei. Vielmehr würden bei dem ausgeschriebenen Touchpanel üblicherweise 30 Watt verbraucht.

Die zuständige Vergabekammer Westfalen gab dem Nachprüfungsantrag statt. In der Leistungsbeschreibung ist gemäß § 121 GWB der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Dadurch wird der Gleichbehandlungsgrundsatz konkretisiert und führt dazu, dass eine Leistungsbeschreibung, die solche Anforderungen enthält, der Angebotswertung nicht zugrunde gelegt werden kann, so die Münsteraner Nachprüfungsbehörde. Vorliegend war unstrittig, dass die Leistungsvorgabe von 4,5 Watt von keinem Produkt auf dem Markt eingehalten werden kann. Eine derartige unerfüllbare Anforderung widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben. Denn etwas, was für jedermann unmöglich ist, kann nicht durchgesetzt werden.

Grundlegender Mangel im Vergabeverfahren

Das verbietet es, aus der Nichterfüllung eines hierauf gerichteten Verlangens nachteilige Folgen für die Bieter herzuleiten. Bei einer unerfüllbaren Anforderung leidet das Vergabeverfahren vielmehr an einem grundlegenden Mangel, weshalb es überhaupt nicht in Betracht kommen kann, einen Auftrag für die nicht erfüllbare Leistung zu erteilen. Kann der grundlegende Mangel des eingeleiteten Vergabeverfahrens nicht „geheilt“ werden oder macht der Auftraggeber keinen Gebrauch davon, dann darf er jedenfalls keinen einzelnen Bieter aufgrund dieses Mangels ausschließen.

Quelle: Bayerische Staatszeitung, Nr. 21/2018

Autor: Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht, Kanzlei Rödl & Partner, Nürnberg

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