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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Zulässigkeit von Nebenangeboten

BGH-Urteil: Nebenangebote sind nicht zulässig, wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Nebenangebote nicht zugelassen und gewertet werden dürfen, wenn in einem Vergabeverfahren der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist. Damit hat der BGH eine der umstrittensten vergaberechtlichen Fragen der vergangenen Jahre geklärt.

In dem Fall, der dem BGH vorlag, hatte der öffentliche Auftraggeber Bauleistungen im Zusammenhang mit dem Umbau einer Straßenbahntrasse im Rahmen eines offenen Verfahrens europaweit ausgeschrieben. Als alleiniges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis vorgesehen. Nebenangebote waren zugelassen. Der öffentliche Auftraggeber beabsichtigte, den Zuschlag auf ein Nebenangebot zu erteilen. Hiergegen wandte sich ein anderer Bieter mit dem Argument, die Wertung von Nebenangeboten sei dann unzulässig, wenn der Preis einziges Zuschlagskriterium sei.

Geeignete Zuschlagskriterien sind unabdingbar

Der BGH entschied am 7. Januar, dass es in diesem Fall vergaberechtswidrig wäre, auf ein zugelassenes Nebenangebot den Zuschlag zu erteilen. Das Recht verlangt, für Nebenangebote lediglich Mindestanforderungen vorzugeben, ohne zu regeln, wie Nebenangebote im Verhältnis zu der als Hauptangebot vorgesehenen Ausführung – dem „Amtsvorschlag“ – zu werten sind. Daher ist eine wettbewerbskonforme Wertung der Nebenangebote nicht gewährleistet, wenn für den Zuschlag allein der Preis maßgeblich sein soll.

Ansonsten könne eine Situation eintreten, in der ein Nebenangebot zwar den Mindestanforderungen genüge und geringfügig billiger sei als das günstigste Hauptangebot, aber überproportional hinter dessen Qualität zurückbleibe. Obwohl es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung gerade nicht um das günstigste Angebot handele, müsste ein solches Nebenangebot mangels geeigneter Zuschlagskriterien den Zuschlag erhalten. Eine solche Wertungspraxis sei jedoch unvereinbar mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip und dem Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.

Hintergrund dieser Rechtssprechung ist, dass es in den vergangenen Jahren umstritten war, ob Nebenangebote bei einem reinen Preiswettbewerb vergaberechtlich zulässig sind. Eine Ansicht ging davon aus, dass zuschlagsfähige Nebenangebote über die Mindestanforderungen hinaus mit dem Amtsvorschlag gleichwertig sein müssen.

Schwierigkeiten für öffentliche Auftraggeber

Ob eine solche Gleichwertigkeit gegeben ist, prüft die Vergabestelle jedoch bereits auf einer Wertungsstufe, die vor der Anwendung der eigentlichen Zuschlagskriterien liege. Es finde damit vorab eine Sonderprüfung des Nebenangebots statt.

Der BGH erteilt dieser Auffassung eine klare Absage. Wenn man Nebenangebote zulasse, dann um das unternehmerische Potenzial der geeigneten Bieter zu erschließen. Die diesem Ziel entsprechende und vergaberechtskonforme Wertung von Nebenangeboten ist nur dann gewährleistet, wenn entsprechende Zuschlagskritierien festgelegt sind. Diese müssen auf den jeweiligen Auftragsgegenstand und den mit ihm zu deckenden Bedarf zugeschnitten sein.

Die Entscheidung des BGH hat massive Auswirkungen auf die Praxis. Wollen öffentliche Auftraggeber künftig Innovations- und Einsparpotenzial durch abweichende Lösungsvorschläge freisetzen, so stehen sie vor einer Schwierigkeit. Sie müssen für Nebenangebote zum einen Mindestanforderungen formulieren, um sich von vornherein transparent auf bestimmte Vorgaben für Nebenangebote festzulegen. Zum anderen müssen sie aussagekräftige, auf den jeweiligen Auftragsgegenstand zugeschnittene Zuschlagskriterien festlegen.

Diese müssen es ermöglichen, das Qualitätsniveau von Nebenangeboten und ihren technisch-funktionellen und sonstigen sachlichen Wert über die Mindestanforderungen hinaus mit dem für die Hauptangebote nach dem Amtsvorschlag vorausgesetzten Standard zu vergleichen.

Praxistipp: Wie Nebenangebote beschaffen sein müssen

Öffentliche Auftraggeber haben die Möglichkeit, den Bietern die Abgabe von Nebenangeboten zu gestatten. Diese ermöglichen es den Bietern, von Vorgaben der Leistungsbeschreibungen abzuweichen. Die Nebenangebote müssen allerdings gleichwertig zu den Hauptangeboten sein. Der Auftraggeber muss zudem im Vorfeld angeben, ob und in welchem Umfang überhaupt Nebenangebote zulässig sind.
Ebenfalls erforderlich ist die Angabe der zu beachtenden Mindestbedingungen für Nebenangebote.

Quelle: Staatsanzeiger, Ausgabe Nr. 9/2014, Seite 28

Autor: Martin Ott, Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft Suttgart

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