Fachbeitrag

Mehr Erfolg bei Ausschreibungen durch strukturierte Biet-Entscheidungen

Der größte Hebel für eine möglichst hohe Quote gewonnener Angebote – und damit einer der größten Erfolgshebel für die Angebotserstellung selbst – ist ein strukturierter Biet-Entscheidungsprozess.

Im privatwirtschaftlichen Bereich existieren nach meiner Erfahrung in vielen Unternehmen schon ausgereifte Deal-Qualification-Prozesse, die eine Prüfung anhand kaufmännischer oder strategischer Parameter erlauben. Woran es oftmals aber hapert, ist die Abdeckung der besonderen Eigenarten öffentlicher Ausschreibungen.

Aufgrund ihrer formalen Art bietet aber gerade die öffentliche Ausschreibung hervorragende Möglichkeiten, bestimmte Entscheidungskriterien strukturiert abzubilden. Hierzu gehören zum Beispiel folgende Fragen:

  • Kann man als potenzieller Teilnehmer anhand irgendwelcher Faktoren erkennen, dass es sich um eine „faire Vergabe“ handelt?
  • Wie kann man im Vorfeld feststellen, ob sich die Teilnahme am Verfahren lohnt?
  • Ist möglicherweise ein anderer Bieter schon so positioniert, dass sich die Teilnahme eigentlich nicht lohnt?

Insbesondere die letzte Frage lässt sich bei öffentlichen Ausschreibungen vielfach deutlich leichter beantworten als in der Privatwirtschaft.

Unternehmen, die hier gut aufgestellt sind und diese sowie weitere Entscheidungsfragen regelmäßig strukturiert beantworten, profitieren typischerweise mehrfach:

  • zum einen durch den direkt eingesparten personellen Aufwand für die Ausschreibungen, bei denen die Gewinnchance ohnehin niedrig ist und
  • zum anderen durch die freiwerdenden zusätzlichen Ressourcen, die in Projekte und Vergabeverfahren mit einer höheren Gewinnwahrscheinlichkeit gesteckt werden können.
  • Darüber hinaus nutzt eine strukturierte Entscheidung auch langfristig. Die Firmen erhalten – das entsprechende Reporting vorausgesetzt – immer wieder wertvolle Informationen darüber, warum das Unternehmen sich nicht an Ausschreibungen beteiligen konnte, obwohl sie auf den ersten Blick als strategisch sinnvoll erschienen. So lassen sich wertvolle Impulse für die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens ableiten.

Praxishinweise

  • Ein professioneller Biet-Entscheidungsprozess bietet den Anwendern in allen Formen Hilfe zur Selbsthilfe und sensibilisiert die eingebundenen Personen für die typischen Entscheidungsfragen. Im Idealfall ist der Prozess selbst mehrstufig aufgesetzt, um die Anzahl der eingehenden und in Frage kommenden Ausschreibungen möglichst schnell zu reduzieren. Aufwändige Detailprüfungen sind dann nur noch bei den Ausschreibungen nötig, bei denen bestimmte Ausschlussgründe schon frühzeitig ausgeschlossen wurden.
  • Ein guter Biet-Entscheidungsprozess sollte auch Fragen zur Positionierung im Wettbewerb ausreichend berücksichtigen. Als Ergebnis liegen dann zu den Ausschreibungen, die den Prozess erfolgreich durchlaufen haben und auf die ein Angebot abgegeben werden kann, typischerweise alle Informationen vor, die für eine erfolgreiche Vertriebsstory benötigt werden. Sollte sich im Verlauf der Ausarbeitung hingegen bei dem einen oder anderen Verfahren zeigen, dass dies nicht der Fall ist und eben nicht alle Informationen vorliegen, die die Frage beantworten, warum ein potenzieller Auftraggeber das eigene Unternehmen statt der Konkurrenz beauftragen sollte, dann ist oft die Biet-Entscheidung selbst nicht glücklich gelaufen. Ein guter Biet-Entscheidungsprozess ist in diesem Sinne immer auch ein Instrument, um die Qualität der vertrieblichen Vorarbeiten evaluieren zu können.
  • „Last but not least“ sollte eine gute Biet-Entscheidung auch immer die Frage beantworten, ob das eigene Unternehmen überhaupt ausreichend Ressourcen zur Verfügung hat, um ein qualitativ hochwertiges Angebot erstellen zu können.
Autor

Patrick Hofstadt führt seit fast 15 Jahren Angebotsteams zu Erfolgen bei strategischen Deals und ist Inhaber der QBC Angebotsberatung. Seine Erfahrung deckt die gesamte Bandbreite ab – vom kleinen Dreiseiter bis hin zur komplexen Multimilliarden-Euro-Ausschreibung. Als Trainer vermittelt er Unternehmen das Wissen zur Erstellung verkaufsstarker Angebote und Präsentationen. 2019 wurde er von einer Jury des internationalen Angebotsfachverbandes APMP zu einem der „40 under 40“-Angebotsexperten weltweit gewählt. Er besitzt mehrere internationale Angebotsmanagement- und nationale Vergaberechts-Zertifizierungen und ist Autor der Bücher „Öffentliche Ausschreibungen gewinnen“ und „Professionelle Angebotserstellung – Erklärungsbedürftige Inhalte überzeugend verkaufen“. Zu seinen Kunden gehören führende Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Institutionen aus ganz unterschiedlichen Branchen, u.a. aus der IT, Personalwirtschaft und Bahntechnik.Patrick Hofstadt ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Iserlohn.Homepage: https://qb-c.de/

Wissen

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren

07.10.2024 | Fachbeitrag

6 Tipps, um passende Vergaben auszuwählen

Mit strukturierten Teilnahme-Entscheidungen konzentrieren Sie Ihre Kraft auf Ausschreibungen, bei denen sich die Teilnahme lohnt und erhöhen unmittelbar Ihre Gewinnchancen.
Mehr erfahren
22.08.2024 | Fachbeitrag

Preisrecht und Preisprüfung

Nicht jede Ausschreibung führt zu einem Marktpreis – entscheidend sind die Regelungen des öffentlichen Preisrechts.
Mehr erfahren
09.07.2024 | Fachbeitrag

So vermeiden Sie eine Rechnungskürzung!

Zweifel an fairen Preisen? Öffentliche Auftraggeber können Preisprüfungen beantragen, die oft zu Auftragskürzungen führen. Erfahren Sie, wie Sie sich davor schützen können!
Mehr erfahren
20.05.2024 | Fachbeitrag

Rechtsgrundlagen zur Aufhebung öffentlicher Ausschreibungen

Aufhebung von Vergabeverfahren: Wann sie möglich ist und was Bieter wissen müssen.
Mehr erfahren
23.04.2024 | Fachbeitrag

Eigenerklärungen, EEE, Präqualifikation und Besonderheiten bei zweistufigen Verfahren (Teil 2)

Optimieren Sie Ihre Vergabeerfolge: Umfassender Guide zu EEE, Präqualifikation und strategischer Nutzung von Eigenerklärungen im Vergaberecht
Mehr erfahren
26.03.2024 | Fachbeitrag

Nachweise zur Leistungsfähigkeit, Referenzen und Besonderheiten für Start-ups (Teil 1)

Erfahren Sie, wie Sie die Eignungsprüfung für öffentliche Aufträge meistern. Schlüsselkriterien und Tipps für den Erfolg in Vergabeverfahren
Mehr erfahren
19.02.2024 | Fachbeitrag

Die rechtssichere Baudokumentation: Must-Have für jedes Bauprojekt!

Warum eine umfassende Baudokumentation in Bauprojekten unverzichtbar ist und wie sie rechtssichere Abrechnungen und erfolgreiche Projekte sichert
Mehr erfahren
19.01.2024 | Fachbeitrag

eRechnung: Pflicht soll auch im B2B schnell kommen!

In Deutschland soll es ab 2025 im B2B-Geschäft nur noch eRechnungen geben. Lesen Sie jetzt, was das konkret bedeutet, wer davon betroffen ist und was sie tun müssen.
Mehr erfahren
29.11.2023 | Fachbeitrag

Zukunftstrends bei öffentlichen Ausschreibungen

Welche Entwicklungen gibt es im öffentlichen Auftragswesen? Welchen Einfluss haben Digitalisierung, Nachhaltigkeitsaspekte und Gesetzgebung?
Mehr erfahren
10.11.2023 | Fachbeitrag

Beschaffung von KI: Gestaltungsmöglichkeiten für Bieter und Auftraggeber (Teil 2)

Alle reden von KI. Wir auch! In Teil 2 erfahren Sie, wie KI-bezogene Verträge gestaltet werden können und welche Möglichkeiten es gibt. Rechtliche Tipps für Auftraggeber und Bieter
Mehr erfahren
Zum Wissensbereich