Belege für die Eignung
Die Nachweisführung wird für Bieter und Bewerber durch die Regelung in § 48 Abs. 2 VgV erleichtert. Der öffentliche Auftraggeber darf in der Regel nur Eigenerklärungen verlangen.
In der VOB/A – EU sind Eigenerklärungen nur für einzelne Angaben möglich und dienen nur als vorläufige Nachweise. Sie sind von den Bietern, die in die engere Wahl kommen, zu bestätigen (§ 6b EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A – EU).
Einheitliche Europäische Eigenerklärung
Bieter und Bewerber können auf die Vorlage der verlangten Eigenerklärungen oder sonstigen Nachweise (zunächst) komplett verzichten, wenn sie mit dem Teilnahmeantrag oder dem Angebot eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) einreichen. Diese muss der öffentliche Auftraggeber als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen akzeptieren.
Vor der Zuschlagserteilung muss der öffentliche Auftraggeber denjenigen Bieter, an den er den Auftrag vergeben will, auffordern, die in der Auftragsbekanntmachung geforderten Unterlagen als Beleg der Eignung des Bieters und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen beizubringen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 VgV).
Präqualifikationssysteme
Bewerber und Bieter können sich auch auf eine bestehende Präqualifikation berufen. Sofern das Präqualifikationssystem den Anforderungen des Art. 64 der RL 2014/24/EU entspricht, dürfen die dort niedergelegten Unterlagen und Angaben vom öffentlichen Auftraggeber nur in begründeten Fällen in Zweifel gezogen werden (Eignungsvermutung).
Die Teilnahme am Präqualifikationssystem dient der Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihrer Ersetzung. Die Erleichterung in Bezug auf die Beibringung ändert nichts daran, dass die Erfüllung der Eignungskriterien grundsätzlich vom Bieter nachzuweisen ist.
Auch bei einem präqualifizierten Bieter hat der öffentliche Auftraggeber daher zu prüfen, ob die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise die im konkreten Verfahren geforderten Eignungsangaben und Nachweise abdecken
OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.06.2022 – Verg 19/22
Ist ein Bieter gemäß PQ nur für Einzelleistungen präqualifiziert, die nicht alle Leistungsbereiche der Ausschreibung umfassen, kommt es darauf an, ob die Summe der Einzelreferenzen die ordnungsgemäße Erfüllung der Gesamtmaßnahmen erwarten lässt. Ist die Gesamtmaßnahme so komplex, dass mehrere Kleinreferenzen dies nicht vergleichbar abdecken, ist der Nachweis der Leistungsfähigkeit nicht erbracht.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.04.2022, Verg 35/21
Besonderheiten beim Teilnahmewettbewerb/Begrenzung der Anzahl der Bewerber
Die zweistufigen Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass zunächst ein Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird, in dem abschließend über die Eignung der Bewerber entschieden wird. Eine erneute Befassung mit den unternehmensbezogenen Anforderungen findet in der Angebotsphase grundsätzlich nicht statt. Dadurch wird ein Vertrauenstatbestand für die Bieter dahingehend begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, dass der AG die Eignung in der Angebotsphase auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage nachträglich abweichend beurteilt
Eine Ausnahme besteht bei Umständen, die der Auftraggeber erst nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe erfahren hat oder die sich erst danach ereignet haben.
Aber ist der Auftraggeber auch dann an die festgestellte Eignung gebunden, wenn zwar kein neuer Sachverhalt vorliegt, der Bieter aber nur auf Grund eines Vergaberechtsverstoßes zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde?
Auch hier entsteht grundsätzlich der Vertrauenstatbestand. Mitbieter haben danach einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens im Teilnahmewettbewerb liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands (= Aufforderung zur Angebotsabgabe) hinzunehmen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.3.2021 – Verg 9/21
Der Vertrauenstatbestand kann aber nur entstehen, wenn der Auftraggeber die Eignung des Unternehmens abschließend festgestellt hat. Eine abschließende Feststellung der Eignung findet nicht statt, wenn der Bieter im Teilnahmewettbewerb nicht alle zur abschließenden Prüfung der Eignung relevanten Unterlagen eingereicht hat.
Wie viel und was darf der Auftraggeber nachfordern?
Fehlen aus Sicht des Auftraggebers Unterlagen, kann er diese nach § 56 Abs. 2 S. 2 Abs. 5 VgV nachfordern, er ist dazu – anders als in der VOB/A – aber nicht verpflichtet und kann dies in den Vergabeunterlagen oder der Bekanntmachung nach § 65 Abs. 2 S. 2 VgV auch grundsätzlich ausschließen. Von der Nachforderung ausgeschlossen sind alle wertungsrelevanten Unterlagen. Die Nachforderung ist nur zulässig, wenn eine Unterlage oder Angaben tatsächlich fehlt. Ist sie „körperlich“ vorhanden, aber inhaltlich falsch, ist eine Nachforderung unzulässig und das Angebot ist auszuschließen. Kommt der Bieter der Nachforderung nicht fristgereicht nach, ist sein Angebot ebenfalls auszuschließen.
Darf ein Bieter von sich aus innerhalb der Nachforderungsfrist seine Referenzen „nachbessern“? In einem Fall der VK Bund hatte ein Bieter, der keine Referenzen beigefügt hatte, diese auf Nachforderung nachgereicht. Allerdings hatte der AG noch vor Ablauf der Frist den Bieter darauf hingewiesen, dass die meistens Referenzen zu alt seien. Daraufhin reicht der Bieter von sich aus noch innerhalb der Nachforderungsfrist jüngere Referenzen ein.
Der Bieter ist auszuschließen, weil er zu wenig wertungsfähige Referenzen eingereicht hat. Insbesondere darf der Auftraggeber die weiteren innerhalb der Frist vorgelegten Referenzen nicht berücksichtigen.
Durch die erste Nachreichung war das Angebot formal vollständig. Die eigentlich noch laufende Nachreichungsfrist war durch Erfüllung beendet.
Praxistipp
AG hätte nicht auf das Alter der Referenzen verweisen dürfen und der Bieter durfte nicht von sich aus bessere Referenzen nachreichen. Daher sollte der Auftraggeber immer auf das Fristende warten, bis er die nachgeforderten Unterlagen prüft!
Aline Fritz berät, mit über 15 Jahren Erfahrung im Vergaberecht, sowohl die öffentliche Hand als auch Bieter in allen Phasen von Vergabeverfahren. Seit 2001 ist sie als Rechtsanwältin zugelassen und seit 2002 bei FPS in Frankfurt am Main tätig. Zuvor war sie Leiterin der Geschäftsstelle des forum vergabe e.V. beim BDI in Berlin. Aline Fritz hat umfassende Erfahrung in der Vertretung vor diversen Vergabekammern und Vergabesenaten der OLG. Sie hält regelmäßige Vorträge und Schulungen zum Vergaberecht und kann zahlreiche Publikationen von vergaberechtlichen Fachbeiträgen vorweisen. Homepage: https://fps-law.de/de/anwaelte-notare/aline-fritz.html/