Besprechung von De-Facto-Vergabe im öffentlichen Beschaffungswesen
Fachbeitrag

De-Facto-Vergabe: So können sich Bieter wehren

Bei einer De-Facto-Vergabe wird ein öffentlicher Auftrag ohne vorheriges Vergabeverfahren direkt vergeben. Als benachteiligter Bieter müssen Sie gut Bescheid wissen und schnell handeln, um sich erfolgreich zur Wehr setzen zu können. In diesem Artikel erfahren Sie, was Sie tun können, um gegen unzulässige De-Facto-Vergaben vorzugehen.

Die De-Facto-Vergabe

Die De-Facto-Vergabe stellt die Erteilung eines öffentlichen Auftrags an ein Unternehmen durch einen öffentlichen Auftraggeber dar, ohne dass ein Vergabeverfahren entsprechend dem öffentlichen Vergaberecht durchgeführt worden ist. Eine solche Auftragsvergabe ist vergaberechtswidrig, weil das öffentliche Vergaberecht sowohl im Bereich unterhalb als auch oberhalb der EU-Schwellenwerte den Zweck verfolgt, vor Auftragserteilung die Herstellung eines gleichberechtigten, transparenten Wettbewerbs sicherzustellen. Dieser Zweck wird grundsätzlich nur mit der Durchführung der gesetzlich geregelten Vergabeverfahren erreicht.

Rechtsschutz

Vergaberechtlicher Rechtsschutz in Form eines Nachprüfungsverfahrens besteht nur für Auftragsvergaben, die sich wertmäßig oberhalb der EU-Schwellenwerte bewegen.

EU-Schwellenwerte für Auftragsvergaben

  • für Liefer- und Dienstleistungen: 221.000 EUR
  • für Bauleistungen: 5.538.000 EUR

Grundsätzlich müssen Verstöße gegen die Vergabevorschriften bei oberschwelligen Auftragsvergaben vor Zuschlagserteilung im laufenden Vergabeverfahren gerügt werden, damit ein späterer Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer überhaupt zulässig ist. Wenn ein Bieter durch die De-Facto-Vergabe eines Auftrags an ein anderes Unternehmen im Wettbewerb benachteiligt wird und ihm daraus zumindest ein Schaden droht, kann er diesen Verstoß jedoch gar nicht im Vergabeverfahren rügen, weil keines stattgefunden hat.

So können Sie sich als Bieter wehren

  • Der Bieter kann in diesem Fall trotz des bereits erteilten Zuschlags unmittelbar einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer einreichen. Für diesen Antrag haben die Bieter eine Frist von 30 Kalendertagen ab dem Zeitpunkt der Information durch den öffentlichen Auftraggeber über den Vertragsabschluss einzuhalten.
  • Nach Ablauf von sechs Monaten nach Vertragsschluss ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig.
  • Der Nachprüfungsantrag ist schriftlich einzureichen und unverzüglich zu begründen. Um dies zu erleichtern, hat der Bieter ein Recht auf Akteneinsicht bei der Vergabekammer, um sich über die unzulässige De-Facto-Vergabe ausreichend zu informieren.

Folgen

Als Folge der De-Facto-Vergabe ist in § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB geregelt, dass ein solcher öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam ist, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag direkt ohne Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der EU vergeben hat und dies in dem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer festgestellt worden ist. Sollte der Auftraggeber an seiner Beschaffungsabsicht festhalten, muss er die Leistung in diesem Fall im Rahmen eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens vergeben.


De-Facto-Vergabe im Unterschwellenbereich

Bei Auftragsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte kann eine Unwirksamkeit des öffentlichen Auftrags durch De-Facto-Vergabe und Feststellung im Nachprüfungsverfahren nicht eintreten. Denn die Regelung zur Unwirksamkeit des Vertrags in § 135 GWB gelten nur für oberschwellige Vergaben und finden auf unterschwellige Vergaben keine Anwendung, da für diese kein Nachprüfungsverfahren vorgesehen ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine De-facto-Vergabe im Unterschwellenbereich vergaberechtlich zulässig ist. Bei unterschwelligen De-Facto-Vergaben drohen

  • Beanstandungen durch Rechnungshöfe
  • Rückforderungen von Fördermittelgebern
  • Schadenersatzansprüche durch Mitbieter

Diese Folgen sind aufgrund eines besonderen vergaberechtlichen Rechtsschutzes aber schwieriger durchzusetzen.

Fazit

De-Facto-Vergaben verstoßen gegen das Vergaberecht, da sie den Wettbewerb verzerren und Transparenz ausschließen. Benachteiligte Bieter sollten ihre Rechte genau kennen und schnell handeln, um gegen unzulässige Vergaben vorzugehen. Ein Nachprüfungsantrag ist ein wirksames Mittel, um gegen diese Vergabeverstöße vorzugehen – dabei ist jedoch die Einhaltung der gesetzlichen Fristen entscheidend. Mit gezielter Akteneinsicht können Bieter ihre Erfolgschancen erheblich verbessern.

Autor

Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs-, Vergabe- und EU-Beihilfenrecht. Jetzt ist Michael Pilarski als Volljurist in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement tätig. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen bei, ist zugelassener Rechtsanwalt, übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht und ist Autor verschiedener Veröffentlichungen.Homepage: https://www.kanzlei-pilarski.de/de/

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