Aktuelle Urteile

Mängelrechte vor der Abnahme

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) äußert sich jedenfalls nicht ausdrücklich zu dem Problem. Jedoch enthält die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B) Regelungen zu Mängelrechten des Auftraggebers vor Abnahme. Man muss sie allerdings kennen.

Die Vorschrift des § 633 Abs. 1 BGB bestimmt lediglich, dass der Bauunternehmer seinem Auftraggeber die Bauleistungen frei von Sach- und Rechtsmängeln verschaffen muss. Da diese “Verschaffung” als abnahmereife Fertigstellung verstanden wird, spricht der Wortlaut der Norm dafür, dass das Mängelhaftungssystems erst mit der Abnahme oder jedenfalls mit einer abnahmereifen Fertigstellung beginnt. Dieses Verständnis würde jedoch die wenig akzeptable Folge haben, dass derjenige Besteller, der die Abnahme zu Recht wegen vorhandener Mängel verweigert, kein Selbstvornahmerecht einschließlich des hieran geknüpften Kostenerstattungs- und Vorschussanspruches hat. Er stünde damit ohne sachlichen Grund erheblich schlechter als der Bauherr, der die mangelhafte Werkleistung abnimmt und so zu seinen Mängelrechten kommt.

Der Bundesgerichtshof hat noch im Jahr 2011 die Frage offen gelassen, ob Mängelansprüche nach den Regelungen über den BGB-Werkvertrag vor Abnahme anwendbar sind. Scheinbar alle sachlichen Argumente zum Trotz hat das Oberlandesgericht Köln dennoch im November des vergangenen Jahres ausdrücklich bejaht, dass dem Bauherrn bei einem Bauvertrag nach den Regelungen des BGB erst nach Abnahme das Recht hat, von seinem Bauunternehmer Mängelbeseitigung zu verlangen. Dies zeigt, dass die Geltendmachung von Kostenerstattungs- und Vorschussansprüchen für Mängel vor Abnahme risikobehaftet ist.

Aus dieser misslichen Lage hilft dem Auftraggeber die VOB/B. Dort ist in § 4 Abs. 7 geregelt, dass Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, vom Auftragnehmer auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen sind. Der Bauherr kann sogar eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er dem Bauunternehmer nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe. Macht der Bauherr von dieser Drohung berechtigterweise Gebraucht, kann er den nicht erbrachten Teil der Leistung zu Lasten des Bauunternehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B).

Fazit

Das BGB lässt den Bauherrn im Regen stehen, wenn es um die Frage geht, ob er vor Abnahme der Bauleistungen vom Bauunternehmer verlangen kann, bereits bemerkte Fehler nachzuarbeiten. Hier hilft die VOB/B. Sie gibt dem Bauherrn sogar das Recht, die Fehler des Bauunternehmers noch vor der Abnahme durch Dritte beseitigen zu lassen, wenn der Bauunternehmer einer Aufforderung seines Auftraggebers nicht nachkommt. Bauherrn ist daher sehr zu empfehlen, die Geltung der VOB/B in Bauverträgen ausdrücklich zu vereinbaren. Denn nur dann kommt der Bauherr in den Genuss entsprechender Ansprüche.

Weitere Informationen


Datum: 12.11.2012
Gericht: OLG Köln
Aktenzeichen: 11 U 146/12
Typ: Beschluss
Wissen

Diese Urteile könnten Sie auch interessieren

16.10.2024 | Urteil

Vorauftrag mangelhaft ausgeführt: Voraussetzungen für einen Ausschluss?

Unternehmen können wegen mangelhafter Leistungserfüllung von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Erfahren Sie mehr über die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen.
Mehr erfahren
16.09.2024 | Urteil

Sind fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzufordern?

Bleiben Sie auch bei unternehmensbezogenen Unterlagen wachsam und vertrauen Sie nicht zu voreilig auf das Mittel der Nachforderung. Lesen Sie, wie sie Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Auch rügen will gelernt sein – Was ist zu beachten?

Fax-Rügen: So sichern Sie Ihren Erfolg im Vergabeverfahren. Erfahren Sie, warum Unterschriften und Zeitpunkte entscheidend sind. Frühzeitig handeln!
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Bieter gewinnen: Gericht lockert überzogene Anforderungen im Museumsprojekt

BayObLG kippt unfaire Eignungskriterien bei Museumsprojekt – Entdecken Sie, wie das Urteil zugunsten der Bieter fiel und was das für zukünftige Ausschreibungen bedeutet.
Mehr erfahren
19.06.2024 | Urteil

Andere Eintragung des Umsatzsteuersatzes – Änderung der Vergabeunterlagen?

Bleiben Sie wettbewerbsfähig! Lernen Sie, wie Sie den Umsatzsteuersatz in Ihren Angeboten korrekt anpassen und Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.05.2024 | Urteil

Eignungsprüfung natürlich auch bei präqualifizierten Unternehmen

Steigern Sie Ihre Erfolgsquote bei öffentlichen Ausschreibungen: Wichtige Einsichten in die Anforderungen an Referenzen und die Bedeutung der Präqualifikation.
Mehr erfahren
17.04.2024 | Urteil

Anfragen an abgefragte Referenzen sind zu wahren

Das OLG Frankfurt beschäftigte sich mit der Frage, welche Referenzangaben der öffentliche Auftraggeber hinsichtlich der Leistungszeit und des Leistungsortes verlangen kann.
Mehr erfahren
21.03.2024 | Urteil

Formblatt ausfüllen nicht vergessen!

Die VK Bund beschäftigte sich (erneut) mit dem Thema „nicht korrekt ausgefülltes Formblatt“. Dieses Mal mit Formblatt 223 (Aufgliederung von Einheitspreisen), welches erst auf Nachfrage der Vergabeste
Mehr erfahren
18.02.2024 | Urteil

Preiswertung darf nicht verzerren!

Analyse der Vergabekammer-Entscheidung zu Preiswertungsmethoden: Rechtliche Einsichten und Auswirkungen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis
Mehr erfahren
19.01.2024 | Urteil

Neues zur Abgrenzung von Bau- und Dienstleistungsauftrag

Das OLG Schleswig entscheidet: Abgrenzung Bau-und Dienstleistungsaufträge durch EU-Schwellenwerte, wesentlich für Verfahrensordnung und Rechtsschutz.
Mehr erfahren
Zum Wissensbereich