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Dokumentationsmangel nicht per se wettbewerbswidrig

Der Sachverhalt

In einem vom OLG Naumburg entschiedenen Fall hatte ein öffentlicher Auftraggeber einen Konzessionsvertrag für ein Stromwegenetz ausgeschrieben. Nach Auswertung der eingegangenen Angebote informierte der Auftraggeber einen unterlegenen Bieter durch Vorabinformation über seine Absicht, den Zuschlag auf das Angebot eines Konkurrenten zu erteilen, und übermittelte ihm den entsprechenden Auswertungsvermerk.

Der unterlegene Bieter wandte sich gegen die Zuschlagsentscheidung und machte geltend, durch die Art und Weise sowie das Ergebnis der Angebotswertung unbillig behindert und diskriminiert worden zu sein. Insbesondere rügte er eine fehlerhafte Dokumentation des Vergabeverfahrens.

Die Entscheidung

Das OLG Naumburg wies die Beschwerde des Bieters zurück. Nach Auffassung des Gerichts führt ein Dokumentationsmangel nicht automatisch (“per se”) zu einer unbilligen Behinderung oder Diskriminierung eines Bieters. Vielmehr muss sich der Mangel konkret nachteilig auf die Wettbewerbschancen des Bieters ausgewirkt haben. Das Gericht stellte zudem klar, dass sich der öffentliche Auftraggeber im gerichtlichen Verfahren auch auf Aspekte und Erwägungen berufen darf, die er nicht in aller Ausführlichkeit im Vergabevermerk dargelegt hat. Diese können im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden. Für die Beurteilung von Dokumentationsmängeln kommt es auf deren Gewicht und Stellenwert an. Ein Dokumentationsmangel ist nur dann vergaberechtlich relevant, wenn die nachgeschobene Dokumentation nicht ausreicht, um eine wettbewerbskonforme Auswahlentscheidung durch den Auftraggeber sicherzustellen.

Praxishinweis

Die ordnungsgemäße und vollständige Dokumentation eines Vergabeverfahrens ist ein wesentlicher und integraler Bestandteil von Vergabeverfahren. Nicht jede fehlerhafte Dokumentation begründet jedoch auch eine Rechtsverletzung zulasten nicht berücksichtigter Bieter, auch kann sie im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Auftraggeber sollten gleichwohl von Anfang die wesentlichen Entscheidungen und Verfahrensschritte nachvollziehbar dokumentieren.

Weitere Informationen


Autor: Dr. Karsten Kayser
Datum: 01.12.2024
Gericht: OLG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen: 6 U 1/23
Typ: Urteil
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