Sachverhalt
In einem europaweiten offenen Vergabeverfahren über Sicherheitsdienstleistungen verlangte der öffentliche Auftraggeber zum Nachweis der Eignung die Vorlage bestimmter DIN-Zertifizierungen – u.a. die DIN EN 50518 (Alarmempfangsstelle) – sowie vergleichbarer Referenzprojekte.
Der für den Zuschlag vorgesehene Bestbieter (Beigeladene), ein erst im Jahr 2021 neu gegründetes Unternehmen einer Unternehmensgruppe, legte seinem Angebot Zertifikate sowie Referenzen von konzernangehörigen Unternehmen als „Eigenreferenzen“ bei. Verpflichtungserklärungen für die im Angebot genannten Konzernunternehmen waren dem Angebot hingegen nicht beigefügt. Trotz der fehlenden Verpflichtungserklärungen erachtete der öffentliche Auftraggeber (AG) die Eignung des Bestbieters für gegeben und beabsichtigte, diesen zu bezuschlagen.
Der zweitplatzierte Bieter (Antragstellerin) wendete sich im Wege eines Nachprüfungsantrags gegen die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung und beanstandete die fehlende Eignung seitens des im Nachprüfungsverfahren beigeladenen Bestbieters.
Entscheidung
Mit Erfolg! Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag u.a. deshalb statt, da der AG die Eignung des Bestbieters zu Unrecht bejahte.
Die Vergabekammer stellte fest, dass der AG das auf ein anderes Konzernunternehmen ausgestellte Zertifikat nicht ohne verbindliche Verpflichtungserklärung (vgl. § 47 Abs. 1 S. 2 VgV, § 36 Abs. 1 S. 2 VgV) zugunsten des Bestbieters anerkennen durfte. Denn die Verpflichtungserklärung dient der Absicherung des öffentlichen Auftraggebers, dass die benannten Ressourcen des Dritten dem Auftragnehmer im Auftragsfall tatsächlich wie eigene zur Verfügung stehen.
Zudem stand nach Auffassung der Vergabekammer nicht fest, ob sich der Bestbieter auf die von dem anderen Konzernunternehmen erbrachten Referenzaufträge (“Fremdreferenzen”) berufen durfte. Bieter könnten sich Fremdreferenzen nämlich (nur) dann als Eigenreferenzen zurechnen lassen, wenn die Organisation des übernommenen Unternehmens im Wesentlichen unverändert geblieben ist und wenn die für den Referenzauftrag maßgeblichen Erfahrungen und Ressourcen mit übergegangen sind. Im vorliegenden Fall hatte der AG eine dahingehende Prüfung unterlassen, weshalb die Vergabekammer die Eignungsprüfung für unzureichend dokumentiert und somit fehlerhaft erachtete.
Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt, dass beim Rückgriff auf Ressourcen konzernangehöriger Unternehmen keine Erleichterungen gegenüber externen Dritten bestehen. Wird auf die Eignung anderer Konzerngesellschaften zurückgegriffen, ist stets eine Verpflichtungserklärung gemäß § 47 Abs. 1 S. 2 VgV erforderlich. Konzerninterne Verflechtungen allein ersetzen die formellen Nachweispflichten nicht.
Auch bei der Verwendung von Konzernreferenzen ist Vorsicht geboten: Eine Zurechnung als „Eigenreferenzen“ ist nur zulässig, wenn die für die Referenzleistungen maßgeblichen Strukturen und Erfahrungen tatsächlich auf den Bieter übergegangen und im Wesentlichen unverändert fortgeführt worden sind.
Für die Praxis bedeutet dies: Die Anforderungen an die Eignungsprüfung gelten uneingeschränkt auch innerhalb von Konzernen. Fehlende Verpflichtungserklärungen oder nicht zurechenbare Referenzen bergen das Risiko des Ausschlusses oder – wie im vorliegenden Fall – eine erfolgreiche Nachprüfung vor der Vergabekammer.
Weitere Informationen
Autor: Dr. Karsten Kayser
Datum: 23.04.2025
Gericht: VK Bund
Aktenzeichen: VK 1-18/25
Typ: Beschluss
