Aktuelle Urteile

Kein Vertrauenstatbestand bei fehlender Eignung

Was ist passiert?

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Bauleistungen im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb aus. Als Eignungsnachweis forderte er die abgeschlossene Ausführung von mindestens drei vergleichbaren Leistungen, die nicht vor dem 1.1.2019 begonnen wurden. Beginn in diesem Sinne war der tatsächliche Baubeginn, Abschluss die Abnahme der Leistungen. Die Referenzleistungen mussten ferner bei Ablauf der Teilnahmefrist abgeschlossen sein. Hierfür war die Abnahme der Leistungen maßgeblich.

In zwei Projekten der Antragstellerin standen die Abnahmen noch aus. Der Auftraggeber bemerkte dies wohl nicht, forderte die Antragstellerin zur Abgabe eines Angebots auf und beabsichtige später auch der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen. Ein konkurrierender Bieter brachte in Folge des Bieterinformationsschreibens vor, dass es der Antragstellerin an der Eignung fehle. Der Auftraggeber schloss ihr Angebot daher wegen fehlender Eignung aus.

Die Antragstellerin wendete sich vor der Vergabekammer Baden-Württemberg gegen den Ausschluss ihres Angebotes. Mit der Zulassung zum Verhandlungsverfahren habe sie darauf vertrauen dürfen, dass ihr Aufwand für die Teilnahme am Wettbewerb nicht dadurch nutzlos werde, dass ihre Eignung – bei gleichbleibender tatsächlicher Grundlage – später anders beurteilt werde.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der Auftraggeber habe das Angebot der Antragstellerin auszuschließen, weil sie den Nachweis der Eignung nicht erbracht habe, nach § 122 Abs. 1 GWB, § 6 EU Abs. 1 VOB/A aber nur geeignete Unternehmen für den Zuschlag in Betracht kämen.

Ein persönliches schutzwürdiges Vertrauen in Folge der zunächst fehlerhaften Beurteilung durch den Auftraggeber rechtfertige allenfalls Schadensersatzansprüche, nicht aber eine Fortführung des Verfahrens.

Ein Vorrang des Vertrauensschutzes sei mit § 122 Abs. 1 GWB und Art. 29 Abs. 7 S. 2 RL 2014/24/EU nicht vereinbar. Zudem bestehe für Bieter, die mangels Kenntnis der Mitbieter die fehlende Eignung erst nach dem Bieterinformationsschreiben rügen können, ansonsten kein effektiver Rechtsschutz.

Praxishinweis

Die VK Baden-Württemberg wendet sich mit der Entscheidung gegen eine teils gegenläufige Spruchpraxis. Bieter sollten selbst sorgfältig prüfen, ob sie die Eignungsanforderungen erfüllen und Zweifelsfragen frühzeitig im Rahmen von Bieterfragen adressieren. Für in der Angebotsphase nachträglich ausgeschlossene Bieter kommen ansonsten aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes allenfalls Schadensersatzansprüche für ihren vergeblichen Aufwand in Betracht.

Weitere Informationen


Autor: Dr. Karsten Kayser
Datum: 20.11.2024
Gericht: Vergabekammer Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 1 VK 67/24
Typ: Beschluss
Wissen

Diese Urteile könnten Sie auch interessieren

22.04.2025 | Urteil

Zur wirksamen Aufhebung von Vergabeverfahren

Eignungskriterien fehlen, Ausschreibung aufgehoben – was nun? Alles zur aktuellen Entscheidung und rechtlichen Einordnung jetzt im Überblick.
Mehr erfahren
20.02.2025 | Urteil

Fehlerhafte Gestaltung der Fachloszuschnitte: Verstoß gegen Wettbewerbs- und Transparenzgrundsatz?

Ein fehlerhafter Fachloszuschnitt kann den Wettbewerbs- und Transparenzgrundsatz verletzen und zur Aufhebung eines Vergabeverfahrens führen. Erfahren Sie, wie sich Bieter schützen und welche Vorgaben öffentliche Auftraggeber beachten müssen.
Mehr erfahren
16.01.2025 | Urteil

Nachprüfungsantrag: Fristen und Zuschlagsverbot im Fokus

Nachprüfungsantrag verpasst? Ein OLG-Beschluss zeigt, wie wichtig Fristen im Vergaberecht sind. Lesen Sie jetzt, was Bieter beachten müssen, um den Zuschlag nicht zu verlieren.
Mehr erfahren
07.01.2025 | Urteil

Präsentationstermin nur mit Auftragsbezug

Die Vergabekammer Südbayern beschäftigt sich mit der Ausgestaltung von Präsentationsterminen
Mehr erfahren
18.11.2024 | Urteil

Wie weit darf man dem Leistungsversprechen des Bieters vertrauen?

Wie weit dürfen öffentliche Auftraggeber Bieter-Versprechen vertrauen? Der Fall zeigt, warum konkrete Prüfung der Leistungsfähigkeit entscheidend ist.
Mehr erfahren
16.10.2024 | Urteil

Vorauftrag mangelhaft ausgeführt: Voraussetzungen für einen Ausschluss?

Unternehmen können wegen mangelhafter Leistungserfüllung von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Erfahren Sie mehr über die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen.
Mehr erfahren
16.09.2024 | Urteil

Sind fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzufordern?

Bleiben Sie auch bei unternehmensbezogenen Unterlagen wachsam und vertrauen Sie nicht zu voreilig auf das Mittel der Nachforderung. Lesen Sie, wie sie Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Auch rügen will gelernt sein – Was ist zu beachten?

Fax-Rügen: So sichern Sie Ihren Erfolg im Vergabeverfahren. Erfahren Sie, warum Unterschriften und Zeitpunkte entscheidend sind. Frühzeitig handeln!
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Bieter gewinnen: Gericht lockert überzogene Anforderungen im Museumsprojekt

BayObLG kippt unfaire Eignungskriterien bei Museumsprojekt – Entdecken Sie, wie das Urteil zugunsten der Bieter fiel und was das für zukünftige Ausschreibungen bedeutet.
Mehr erfahren
19.06.2024 | Urteil

Andere Eintragung des Umsatzsteuersatzes – Änderung der Vergabeunterlagen?

Bleiben Sie wettbewerbsfähig! Lernen Sie, wie Sie den Umsatzsteuersatz in Ihren Angeboten korrekt anpassen und Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
Zum Wissensbereich