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Scheitern als Chance? Handlungsoptionen bei fehlgeschlagenen Vergaben

Vor der Entscheidung über die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Neuvergabe steht die Prüfung des Beschaffungsbedarfs und der Beschaffungskonzeption. So ist etwa zu überlegen:

  • ob aufgrund gestiegener Energiekosten energieeffizientere Produkte und Leistungen beschafft werden, deren höhere Anschaffungskosten durch den günstigeren Betrieb schnell ausgeglichen werden.
  • oder ob das Risiko steigender Baukosten durch die Wahl einer Generalübernehmervergabe reduziert werden kann, wo zu einem frühen Zeitpunkt Rechtssicherheit über Planungs- und Baukosten besteht.

Häufig sind es aber auch „nur“ kleinere Korrekturen, die die Attraktivität eines Verfahrens erhöhen. Öffentliche Auftraggeber tun gut daran, im Vorfeld genau zu analysieren, warum Unternehmen kein Angebot abgegeben oder womit sie hohe Preise begründet haben. Hierbei ist es empfehlenswert, auch mit potenziellen Bietern über die Gründe für die Nichtbeteiligung am Verfahren zu sprechen und die entsprechenden „Stellschrauben im Verfahren“ zu ändern. Kritische Vorgaben, etwa zu Lieferzeiten, nicht marktüblichen Vertragsbedingungen, fehlende Preisanpassungsregelungen oder auch überhöhte, durch den Bedarf des Auftraggebers nicht gerechtfertigte Leistungsstandards können dann für das neue Verfahren angepasst werden.

 

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Verfahrensrechtliche Erleichterungen

Das Vergaberecht eröffnet den Auftraggebern verschiedene Möglichkeiten, nach erfolgreicher Aufhebung den Beschaffungsbedarf im Rahmen eines neuen Vergabeverfahrens zu decken.

  • Stets möglich bleibt die erneute Vergabe in einem formstrengen Verfahren, beispielsweise im Rahmen einer Öffentlichen Ausschreibung oder eines Offenen Verfahrens. Dies ist vor allem dann geboten, wenn umfassende Modifikationen am Leistungsgegenstand vorgenommen wurden.
  • Ändert sich der Beschaffungsgegenstand selbst jedoch nur geringfügig, sehen VgV und VOB/A auch einen Wechsel zum Verhandlungsverfahren mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vor. Die hierfür maßgeblichen Tatbestände (§ 14 Abs. 3, Nr. 5 bzw. Abs. 4, Nr. 1 VgV und § 3a EU Abs. 2, Nr. 2 bzw. Abs. 3, Nr. 1 VOB/A) sind nicht einfach voneinander abzugrenzen. Ihnen ist jedoch gemein, dass das Verhandlungsverfahren dann möglich ist, wenn keine grundsätzlichen Änderungen der Leistung erfolgt sind. Die Auftraggeber haben dann die Möglichkeit, geeignete Bieter direkt zur erneuten Angebotsabgabe aufzufordern und zudem auch über die Angebote zu verhandeln.

Aus Fehlern lernen

„Durch Schaden wird man klug“, das wusste schon Martin Luther. Dieses alte Sprichwort gilt auch für die öffentliche Auftragsvergabe.

Das Erkennen von Fehlern und die Steigerung der Attraktivität von Vergaben bieten die Chance, künftige Verfahren von Anfang an besser zu strukturieren. So werden nicht nur wirtschaftliche Angebote ermöglicht, auch der Verwaltungsaufwand für die Verfahrensbegleitung kann reduziert werden. Sie sind somit zugleich ein wichtiger Baustein für erfolgreiche Vergaben in der Zukunft.

Welche Möglichkeit hat man als Bieter? War der ganze Aufwand umsonst?

Die öffentlichen Auftraggeber müssen die Aufhebung eines Verfahrens sachlich und vergaberechtlich begründen. Zudem sind die Bieter und Bewerber unverzüglich zu informieren.

Liegen sachliche Gründe für eine Aufhebung vor und sind diese nachvollziehbar, ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, das Verfahren mit Zuschlag zu beenden. Bieter müssen in diesem Fall die Aufhebung akzeptieren. Es gibt keinen Anspruch auf Schadenersatzansprüche zu Gunsten der Bieter.

Besteht jedoch der Verdacht, dass es keinen sachlichen Grund für die Aufhebung gibt und es sich evt. um eine „Scheinaufhebung“ handelt, können Sie als Bieter rügen. Hilft der Auftraggeber der Rüge nicht ab, können Sie sich mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer wenden. Um unnötige Kosten zu vermeiden, sollten Sie hierzu einen erfahrenen Vergaberechtsanwalt zu Rate ziehen.