Der geneigte Leser dieser Beitragsreihe sollte bereits mit den allgemeinen Grundsätzen der ihm zur Verfügung stehenden Werkzeuge im Vergabeverfahren vertraut sein. Er kennt den Unterschied zwischen Bieterfragen und Rügen und kann auch deren jeweilige Zielrichtung einordnen. Falls dies noch nicht der Fall sein sollte, wird eine kurze Lektüre der Teile 1 und 2 empfohlen, da die dortigen Informationen die Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen bilden. Nachfolgend soll das Rechtsinstrument der Rüge etwas tiefer beleuchtet werden.
Ziel einer Rüge
Das Rügen eines Vergaberechtsverstoßes verfolgt üblicherweise ein Ziel: Die Beseitigung jenes Verstoßes. Dies kann auf zwei Wegen erfolgen. Entweder betrachtet der Auftraggeber die Rüge als begründet und hilft der Rüge ab, beseitigt den Verstoß mithin von selbst. Oder aber der Auftraggeber erachtet die Rüge als unbegründet. In einem solchen Fall weist er die Rüge zurück (oder bleibt eine Reaktion gegenüber dem Bieter schuldig, oftmals in der Hoffnung, das Problem werde sich von selbst lösen).
Hilft der Auftraggeber der Rüge nicht ab, muss sich der Bieter überlegen, wie er mit dieser Situation umgeht. Entweder er lässt die Sache auf sich beruhen, oder er ersucht um Rechtsschutz. Je nach Auftragsart, Auftragswert und Bundesland stehen dafür unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Da ein umfassender Überblick den Rahmen des hiesigen Beitrags sprengen würde, konzentrieren wir uns zunächst ausschließlich auf Rechtsschutz vor den Vergabekammern.
Um es kurz zu fassen: Die Vergabekammer ist eine gerichtsähnliche Institution, vor der Bieter etwaige Vergaberechtsverstöße in einem Vergabenachprüfungsverfahren überprüfen lassen können.
Damit ein solches Vergabenachprüfungsverfahren überhaupt Aussicht auf Erfolg haben kann, muss in den allermeisten Fällen der zur Überprüfung gestellte Verstoß im Vorfeld vonseiten des Antragstellers gerügt werden.
Form einer Rüge
Auch wenn die Rüge im rechtlichen Sinne „formlos“ möglich ist, muss bei ihrer Formulierung einiges beachtet werden, damit die Vergabekammer diese Zulässigkeitsanforderung als erfüllt betrachtet. Kommt die Vergabekammer zu dem Ergebnis, dass eine Rüge unzureichend ist, findet gar keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Vergaberechtsverstoß statt. Es kann daher sein, dass ein Bieter im Vergabenachprüfungsverfahren unterliegt, obwohl der geltend gemachte Verstoß tatsächlich vorlag.
Um eine solch ärgerliche Situation zu vermeiden, sollten die nachfolgenden Ratschläge beherzigt werden.
Eine Rüge bezieht sich immer auf einen konkreten Vergaberechtsverstoß. Es wird daher nicht das Vergabeverfahren allgemein als rechtsfehlerhaft gerügt, sondern jeder Verstoß einzeln. Zwar muss die Rüge keine detaillierte rechtliche Würdigung enthalten, es muss aber deutlich werden, welcher konkrete Sachverhalt für vergaberechtswidrig erachtet wird.
Unzureichende Rügen
Es gibt Situationen, in denen dem Bieter nur begrenzte Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen. Häufig betrifft dies etwa die Behauptung, das Angebot eines Konkurrenten sei nicht auskömmlich kalkuliert, er sei nicht geeignet oder erfülle aufgestellte Leistungsanforderungen nicht. In solchen Fällen genügt es nicht, dies einfach nur zu behaupten oder allgemeine Mutmaßungen zu äußern. Stattdessen muss der Bieter so genau wie möglich diejenigen Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen.
Erfolgt dies nicht im erforderlichen Maß, dann wird die Rüge als „Rüge ins Blaue hinein“ für unzureichend befunden. Diese Hürde zu überwinden ist mitunter nicht leicht, da der Bieter – um das Beispiel der Auskömmlichkeit aufzugreifen – in der Regel gar nicht weiß, wie günstig der Wettbewerber angeboten hat. In einer solchen Situation kann es daher erforderlich sein, dem Auftraggeber anhand der eigenen Kalkulation darzulegen, weshalb es unmöglich ist, dass ein günstigerer Bieter noch in der Lage ist, geltende Verpflichtungen wie Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, ohne mit dem Auftrag ins Minus zu rutschen.
Als unzureichend hat die Rechtsprechung weiterhin die bloße Ankündigung gesehen, Bieterrechte geltend zu machen. Auch eine bloße Frage stellt keine Rüge dar. Letztlich sollte auch auf „vorsorgliche“ Rügen verzichtet werden, da künftige Vergaberechtsverstöße in den meisten Fällen nicht erfolgreich gerügt werden können.
Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens
Hilft der öffentliche Auftraggeber der Rüge nicht ab, bleibt dem Bieter nur die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Hierbei muss er unbedingt zwei Dinge beachten:
Zum einen muss der Nachprüfungsantrag spätestens 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des öffentlichen Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, bei der Vergabekammer eingehen, § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB.
Mitunter muss der Bieter aber sogar schon eher tätig werden. Dies gilt dann, wenn die Erteilung des Zuschlags droht. Der öffentliche Auftraggeber muss unterlegene Bieter darüber mindestens zehn Kalendertage im Voraus informieren. Ist der Zuschlag einmal erteilt, ist die Messe gesungen, denn ein wirksam erteilter Zuschlag kann nicht aufgehoben werden. Die Erteilung des Zuschlags kann nur durch die rechtzeitige Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens unterbunden werden.
Fazit
Rügen sind ein wichtiges Instrument, um Vergaberechtsverstöße anzumahnen. Sie stellen zudem eine Voraussetzung für eine Überprüfung durch die Vergabekammer dar. Auch wenn keine detaillierte rechtliche Würdigung erforderlich ist, so muss der betreffende Sachverhalt dennoch so konkret wie möglich dargelegt werden. Für die Frage, wann eine Rüge zu erheben ist und wann im Falle einer Zurückweisung der Rüge ein Nachprüfungsantrag zu stellen ist, muss der Fristenkatalog des § 160 Abs. 3 GWB sowie ein womöglich drohender Zuschlag unbedingt beachtet werden.

Seit Anfang 2020 ist Christian Schötzig bei abante Rechtsanwälte tätig, einer spezialisierten Boutique für Vergaberecht. Nach dem Abschluss seines 2. Juristischen Examens im Jahr 2019 in Sachsen begann er seine Karriere im Vergaberecht, zunächst mit Fokus auf die Vertretung von Bietern in Bereichen wie Facility Management (Wach- und Sicherheitsdienstleistungen, Reinigungsdienstleistungen), Schülerbeförderung, Abschleppdienstleistungen und Bauvergaben. Seit 2023 ist er als Fachanwalt für Vergaberecht anerkannt und begleitet sowohl öffentliche Auftraggeber bei der rechtsicheren Abwicklung von Verfahren als auch Bieter in diversen Mandaten. Homepage: https://abante.de/team-mitglieder/christian-schoetzig/

