Ungleich anspruchsvollere Ziele strebt das sich derzeit in Verhandlung befindlichen Handels- und Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und Europa befindliche Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) an: „Das Abkommen wird höchst ambitioniert sein, und sein Geltungsbereich (Beschaffung, Schwellenwerte und Dienstleistungsaufträge einschließlich insbesondere öffentlicher Bauaufträge) wird nach Möglichkeit über das Ergebnis der Verhandlungen über das öffentliche Beschaffungswesen hinausgehen. Mit dem Abkommen wird das Ziel verfolgt werden, einen verbesserten beiderseitigen Zugang zu den Beschaffungsmärkten auf allen Verwaltungsebenen (national, regional, lokal) vorzusehen (…)“.
CETA ist die Blaupause für TTIP. Beide Investitionsschutzabkommen enthalten ausführliche Regelungen zur Beschaffung von Gütern, Bau- und Dienstleistungen. Welche Rechtsfolgen sind für die deutsche Bauwirtschaft nach gegenwärtigem Stand (Januar 2017) zu erwarten?
Auswirkungen von CETA auf das Vergaberecht
Der Geltungsbereich von CETA (Beschaffungsstellen, Schwellenwerte, Dienstleistungsaufträge einschließlich insbesondere öffentlicher Bauaufträge) wird nach Möglichkeit über das bisherige jeweilige nationale öffentliche Beschaffungswesen hinausgehen. Betroffen sind vor allem die Mindeststandards im Vergaberecht, aber auch die materiellen Investitionsschutzstandards. Dies sind etwa faire und gerechte Behandlung, Meistbegünstigung, Nichtdiskriminierung und die obskure indirekte Enteignung, für die es im nationalen Recht Deutschlands (vgl. Art. 14 GG) bislang nur sehr eingeschränkt eine Entsprechung gibt. Unstrittig ist, dass diese Standards Auswirkungen auf das Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten und damit auch auf das Vergaberecht in den einzelnen Ländern haben werden, da ein verbesserter beiderseitiger (d.h. EU und Kanada) Zugang zu den Beschaffungs- und Dienstleistungsmärkten auf allen Verwaltungsebenen (national, regional, lokal) durch CETA vorgesehen ist.
Procurement : Marktradikale Wirtschaftsordnung?
Die öffentliche Beschaffung wird bei CETA über „Procurement“ geregelt. Die Auswahl der öffentlichen Einrichtungen und welche Aufträge ausgeschrieben werden müssen, ergibt sich aus den Anhängen zum noch nicht ratifizierten CETA-Vertrag. Eine generelle Ausschreibungspflicht existiert nicht. Vielmehr können die Parteien bestimmte Bereiche von der Liberalisierungs- und Marktöffnungspflicht ausnehmen. Diese Ausnahmen, die politisch sehr umstritten sind, finden sich in den Anhängen zu CETA; sie betreffen etwa Wasserversorgung und Müllbeseitigung, aber nicht die Energieversorgung.
Einerseits kann hier durchaus von einem „einmal liberalisiert, immer liberalisiert“ gesprochen werden. Andererseits wird die Ausschreibung durch CETA noch komplexer, als sie durch die Neufassung des Vergaberechts in Deutschland durch die Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinien zum 18.4.2016 ohnehin schon geworden ist, etwa im Bereich der Zuschlagskriterien. Auch bei der Aufzählung der ausschreibungspflichtigen öffentlichen Einrichtungen ist unter einem CETA-Regime zusätzlich zwischen den einzelnen Verwaltungsebenen, Behörden und Institutionen zu differenzieren. Für sie gelten jeweils andere Ausschreibungssummen und Schwellenwerte. Wird eine bestimmte Summe erreicht, müssen die Aufträge unter Beachtung des Prinzips der Nichtdiskriminierung ausgeschrieben werden. Diesem Grundsatz kommt unter CETA eine gesteigerte Wichtigkeit zu.
CETA und die deutsche Vergaberechtsnovelle
Im 2016 neugefassten Vergaberecht soll das wirtschaftlichste, aber nicht unbedingt preiswerteste Angebot, das soziale und ökologische Aspekte einbezieht, den Zuschlag erhalten. Auf diese Weise sollen auch Gebäude-Lebenszykluskosten und Energieeffizienz als ausdifferenzierte Zuschlagskriterien zu einer „Nachhaltigkeit der Vergabe“ führen. Das neue Vergaberecht führt also bestimmte Zuschlagskriterien und Ausschreibungspflichten ein, die unter CETA zu einer Verletzung der fairen und gerechten Investorenbehandlung führen können, zumindest aber als Beeinträchtigung der Standardisierung der Vergabekriterien gewertet würden. Denn eigentlich ist das Ziel von CETA die Vereinheitlichung der Vergabekriterien und nicht die weitere, nationale Ausdifferenzierung. Auch werden nationale Inhouse-Geschäfte durch transatlantische, staatenübergreifende und stärker regional ausgerichtete Handels- und Investitionsabkommen gewiss schwieriger durchzuführen sein. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wird im CETA-Vertragstext mehrmals prominent betont. Unter CETA wird dieser Grundsatz auch unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten so auszulegen sein, dass vorrangig kanadische Investoren, die in der EU tätig sind, nicht diskriminiert werden dürfen. Das gilt umgekehrt natürlich auch für europäische Investoren in Kanada. Dadurch ist das staatliche Handeln insbesondere durch den Grundsatz der Nichtdiskriminierung erheblichen Einschränkungen unterworfen. Diese Einschränkung ist im neu strukturierten Vergaberecht des GWB und der VgV zu beachten.
Rechtsfolgen
Kapitel (Chapter) 19 des gegenwärtig vorliegenden CETA-Textes (dort S. 127-149) behandelt das so genannte „Government Procurement“, also die Ausprägungen staatlicher Beschaffungsmaßnahmen; dies sind vor allem:
- Article 19.4 CETA: Non-discrimination (Nichtdiskriminierung)
- Article 19.5 CETA: General information (Informationspflichten)
- Article 19.10 CETA: Deadlines (Ausschreibungsfristen)
- Article 19.13 CETA: Electronic Auctions
Dies sind elektronische Bieterverfahren, die vergleichbar sind mit der eVergabe in Europa, die freilich noch technische und strukturelle Herausforderungen zu bewältigen hat, etwa im Bereich des elektronischen Briefkastens, der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) sowie der sog. Präqualifizierungssysteme. CETA wird das Präqualifizierungssystem aufgreifen, indem die Präqualifizierungsstelle gestärkt wird, bei der Unternehmen die Nachweise ihrer Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit einreichen (z.Bsp. Steuerzahlungen). Nach positiver Prüfung erhalten die Unternehmen ein Zertifikat und werden in der Präqualifizierungsdatenbank gespeichert.
Zusammenfassung und Bewertung
Spannend wird zukünftig das Verhältnis zwischen CETA-Vergaberecht und (neu gefasstem) deutschem Vergaberecht, z.Bsp. hinsichtlich Zuschlagskriterien, Lebenszykluskosten und der Berücksichtigung der Energieeffizienz bei der Angebotswertung. Mindestens so wichtig wie die Debatte um die Einführung des Investitionsgerichtssystems (Investment Court System) als Alternative zur herkömmlichen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit (Arbitral Tribunals) ist die im EU-Kommissionentwurf vorgesehene „right to regulate”-Klausel. Sie kann dazu führen, dass materielle Investitionsstandards wie der Grundsatz der fairen und gerechten Behandlung, der Grundsatz der Nichtdiskriminierung vor allem im Vergaberecht, der Schutz vor Enteignungen ohne Entschädigung, aber auch die indirekte Enteignung Bestandteile des Sekundärrechts der EU werden. Jede Änderung im Bau-, Planungs-, Umwelt- oder Vergaberecht müsste in Übereinstimmung mit diesen Standards stehen und dementsprechend bei neuen Regelungen auf ihre Vereinbarkeit hin geprüft werden.
Ungleich anspruchsvollere Ziele strebt das sich derzeit in Verhandlung befindlichen Handels- und Investitionsschutzabkommen zwischen den USA und Europa befindliche Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) an: „Das Abkommen wird höchst ambitioniert sein, und sein Geltungsbereich (Beschaffung, Schwellenwerte und Dienstleistungsaufträge einschließlich insbesondere öffentlicher Bauaufträge) wird nach Möglichkeit über das Ergebnis der Verhandlungen über das öffentliche Beschaffungswesen hinausgehen. Mit dem Abkommen wird das Ziel verfolgt werden, einen verbesserten beiderseitigen Zugang zu den Beschaffungsmärkten auf allen Verwaltungsebenen (national, regional, lokal) vorzusehen (…)“.
CETA ist die Blaupause für TTIP. Beide Investitionsschutzabkommen enthalten ausführliche Regelungen zur Beschaffung von Gütern, Bau- und Dienstleistungen. Welche Rechtsfolgen sind für die deutsche Bauwirtschaft nach gegenwärtigem Stand (Januar 2017) zu erwarten?
Auswirkungen von CETA auf das Vergaberecht
Der Geltungsbereich von CETA (Beschaffungsstellen, Schwellenwerte, Dienstleistungsaufträge einschließlich insbesondere öffentlicher Bauaufträge) wird nach Möglichkeit über das bisherige jeweilige nationale öffentliche Beschaffungswesen hinausgehen. Betroffen sind vor allem die Mindeststandards im Vergaberecht, aber auch die materiellen Investitionsschutzstandards. Dies sind etwa faire und gerechte Behandlung, Meistbegünstigung, Nichtdiskriminierung und die obskure indirekte Enteignung, für die es im nationalen Recht Deutschlands (vgl. Art. 14 GG) bislang nur sehr eingeschränkt eine Entsprechung gibt. Unstrittig ist, dass diese Standards Auswirkungen auf das Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten und damit auch auf das Vergaberecht in den einzelnen Ländern haben werden, da ein verbesserter beiderseitiger (d.h. EU und Kanada) Zugang zu den Beschaffungs- und Dienstleistungsmärkten auf allen Verwaltungsebenen (national, regional, lokal) durch CETA vorgesehen ist.
Procurement : Marktradikale Wirtschaftsordnung?
Die öffentliche Beschaffung wird bei CETA über „Procurement“ geregelt. Die Auswahl der öffentlichen Einrichtungen und welche Aufträge ausgeschrieben werden müssen, ergibt sich aus den Anhängen zum noch nicht ratifizierten CETA-Vertrag. Eine generelle Ausschreibungspflicht existiert nicht. Vielmehr können die Parteien bestimmte Bereiche von der Liberalisierungs- und Marktöffnungspflicht ausnehmen. Diese Ausnahmen, die politisch sehr umstritten sind, finden sich in den Anhängen zu CETA; sie betreffen etwa Wasserversorgung und Müllbeseitigung, aber nicht die Energieversorgung.
Einerseits kann hier durchaus von einem „einmal liberalisiert, immer liberalisiert“ gesprochen werden. Andererseits wird die Ausschreibung durch CETA noch komplexer, als sie durch die Neufassung des Vergaberechts in Deutschland durch die Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinien zum 18.4.2016 ohnehin schon geworden ist, etwa im Bereich der Zuschlagskriterien. Auch bei der Aufzählung der ausschreibungspflichtigen öffentlichen Einrichtungen ist unter einem CETA-Regime zusätzlich zwischen den einzelnen Verwaltungsebenen, Behörden und Institutionen zu differenzieren. Für sie gelten jeweils andere Ausschreibungssummen und Schwellenwerte. Wird eine bestimmte Summe erreicht, müssen die Aufträge unter Beachtung des Prinzips der Nichtdiskriminierung ausgeschrieben werden. Diesem Grundsatz kommt unter CETA eine gesteigerte Wichtigkeit zu.
CETA und die deutsche Vergaberechtsnovelle
Im 2016 neugefassten Vergaberecht soll das wirtschaftlichste, aber nicht unbedingt preiswerteste Angebot, das soziale und ökologische Aspekte einbezieht, den Zuschlag erhalten. Auf diese Weise sollen auch Gebäude-Lebenszykluskosten und Energieeffizienz als ausdifferenzierte Zuschlagskriterien zu einer „Nachhaltigkeit der Vergabe“ führen. Das neue Vergaberecht führt also bestimmte Zuschlagskriterien und Ausschreibungspflichten ein, die unter CETA zu einer Verletzung der fairen und gerechten Investorenbehandlung führen können, zumindest aber als Beeinträchtigung der Standardisierung der Vergabekriterien gewertet würden. Denn eigentlich ist das Ziel von CETA die Vereinheitlichung der Vergabekriterien und nicht die weitere, nationale Ausdifferenzierung. Auch werden nationale Inhouse-Geschäfte durch transatlantische, staatenübergreifende und stärker regional ausgerichtete Handels- und Investitionsabkommen gewiss schwieriger durchzuführen sein. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wird im CETA-Vertragstext mehrmals prominent betont. Unter CETA wird dieser Grundsatz auch unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten so auszulegen sein, dass vorrangig kanadische Investoren, die in der EU tätig sind, nicht diskriminiert werden dürfen. Das gilt umgekehrt natürlich auch für europäische Investoren in Kanada. Dadurch ist das staatliche Handeln insbesondere durch den Grundsatz der Nichtdiskriminierung erheblichen Einschränkungen unterworfen. Diese Einschränkung ist im neu strukturierten Vergaberecht des GWB und der VgV zu beachten.
Rechtsfolgen
Kapitel (Chapter) 19 des gegenwärtig vorliegenden CETA-Textes (dort S. 127-149) behandelt das so genannte „Government Procurement“, also die Ausprägungen staatlicher Beschaffungsmaßnahmen; dies sind vor allem:
- Article 19.4 CETA: Non-discrimination (Nichtdiskriminierung)
- Article 19.5 CETA: General information (Informationspflichten)
- Article 19.10 CETA: Deadlines (Ausschreibungsfristen)
- Article 19.13 CETA: Electronic Auctions
Dies sind elektronische Bieterverfahren, die vergleichbar sind mit der eVergabe in Europa, die freilich noch technische und strukturelle Herausforderungen zu bewältigen hat, etwa im Bereich des elektronischen Briefkastens, der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) sowie der sog. Präqualifizierungssysteme. CETA wird das Präqualifizierungssystem aufgreifen, indem die Präqualifizierungsstelle gestärkt wird, bei der Unternehmen die Nachweise ihrer Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit einreichen (z.Bsp. Steuerzahlungen). Nach positiver Prüfung erhalten die Unternehmen ein Zertifikat und werden in der Präqualifizierungsdatenbank gespeichert.
Zusammenfassung und Bewertung
Spannend wird zukünftig das Verhältnis zwischen CETA-Vergaberecht und (neu gefasstem) deutschem Vergaberecht, z.Bsp. hinsichtlich Zuschlagskriterien, Lebenszykluskosten und der Berücksichtigung der Energieeffizienz bei der Angebotswertung. Mindestens so wichtig wie die Debatte um die Einführung des Investitionsgerichtssystems (Investment Court System) als Alternative zur herkömmlichen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit (Arbitral Tribunals) ist die im EU-Kommissionentwurf vorgesehene „right to regulate”-Klausel. Sie kann dazu führen, dass materielle Investitionsstandards wie der Grundsatz der fairen und gerechten Behandlung, der Grundsatz der Nichtdiskriminierung vor allem im Vergaberecht, der Schutz vor Enteignungen ohne Entschädigung, aber auch die indirekte Enteignung Bestandteile des Sekundärrechts der EU werden. Jede Änderung im Bau-, Planungs-, Umwelt- oder Vergaberecht müsste in Übereinstimmung mit diesen Standards stehen und dementsprechend bei neuen Regelungen auf ihre Vereinbarkeit hin geprüft werden.
Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg (Dipl.-Jur.) und Geographie an der Universität Hamburg (Dipl.-Geogr.), Promotion zum Dr. rer. nat. an der Universität Hamburg. Seit September 2011 Vertretungsprofessor für Baurecht, Immobilienwirtschaft und Immobilienbewertung an der Frankfurt University of Applied Sciences, Studiengang Geoinformation und Kommunaltechnik.