Fachbeitrag

Freundliche Vergabe-Einstiegskurs für Start-ups

Kapitel III: Vergaberechtliche Stellschrauben, damit auch Start-ups die Anforderungen schaffen

Öffentliche Aufträge haben oft ein enormes Auftragsvolumen und übersteigen die Kapazitäten von Start-ups somit in ihrer Gesamtheit. Das Vergaberecht bietet eine Reihe von Instrumenten, um die Größe der zu vergebenden Aufträge und die damit zusammenhängenden Anforderungen für Start-ups händelbar zu machen.

Mittelstandsschutz als Ausgangspunkt

Diese Maßnahmen beruhen nicht zuletzt auf der Vorgabe des § 97 Abs. 4 GWB zur Förderung und Berücksichtigung mittelständischer Interessen bei der Konzipierung von Aufträgen. Danach ist der Auftraggeber z.B. verpflichtet, die Leistung in Lose aufzuteilen.

Der Bieter hat zwar einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber diesen Grundsatz befolgt, es gibt jedoch keinen unbedingten Anspruch auf Losaufteilung und insbesondere gibt es auch keinen Anspruch auf eine bestimmte Losaufteilung.

Was kann man tun, wenn die zu vergebende Leistung zwar in Lose aufgeteilt wurde, aber Art und Umfang trotzdem nicht allein zu bewältigen ist? Start-ups können sich in solchen Fällen entweder mit anderen Unternehmen zu einer Bietergemeinschaft zusammenschließen, sich Nachunternehmer dazu holen, oder selbst als Nachunternehmer mit einem Hauptbieter am Verfahren teilnehmen.

Stellschrauben bei den Eignungsanforderungen

Bei öffentlichen Vergabeverfahren werden als Nachweis für die Eignung oft vergleichbare Referenzaufträge oder langjährige Erfahrung gefordert. Dies ist für Start-ups meist sehr schwierig!

Wenn das Unternehmen noch keine eigenen Referenzen hat, besteht grundsätzlich nicht die Möglichkeit, nur persönliche Referenzen einzelner Mitarbeiter als Nachweis einzureichen.  Dies wäre nur möglich, sofern es durch den Auftraggeber zugelassen wurde. Anderenfalls muss es im Vorfeld über Bieterfragen geklärt werden!

Genauso problematisch sind Anforderungen an den jährlichen Umsatz der letzten drei Geschäftsjahre, unter Umständen kombiniert mit einem bestimmen Mindestjahresumsatz.

Als alternativer Nachweis für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit kommt für junge Unternehmen die Beibringung einer Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VgV in Betracht. Ob ein bestimmter Nachweis durch einen anderen Nachweis ersetzt werden darf, muss auch hier im Vorfeld (vor Ablauf der Abgabefrist) mit dem Auftraggeber über eine Bieterfrage geklärt werden.

In allen diesen Fällen kann aber auch das Instrument der Eignungsleihe Start-ups helfen. Die Eignungsleihe dient dazu, ein Eignungsdefizit eines Bieters auszugleichen. Dabei leiht sich der Bieter bei einem anderen Unternehmen nur den ihm fehlenden Nachweis der Eignung. Das andere Unternehmen muss sich in einer Erklärung verpflichten, im Falle des Zuschlags mit seinen Kapazitäten zur Verfügung zu stehen. Bei der Leihe von beruflicher Leistungsfähigkeit, insbesondere Personal und Referenzen, muss der Eignungsverleiher den von der Eignungsleihe betroffenen Teil des Auftrages auch tatsächlich ausführen, bspw. als Nachunternehmer.

Fazit

Das Vergaberecht bietet auch für Start-ups viele Möglichkeiten der Beteiligung. Diese müssen jedoch aktiv genutzt werden.

Autor

Aline Fritz berät, mit über 15 Jahren Erfahrung im Vergaberecht, sowohl die öffentliche Hand als auch Bieter in allen Phasen von Vergabeverfahren. Seit 2001 ist sie als Rechtsanwältin zugelassen und seit 2002 bei FPS in Frankfurt am Main tätig. Zuvor war sie Leiterin der Geschäftsstelle des forum vergabe e.V. beim BDI in Berlin. Aline Fritz hat umfassende Erfahrung in der Vertretung vor diversen Vergabekammern und Vergabesenaten der OLG. Sie hält regelmäßige Vorträge und Schulungen zum Vergaberecht und kann zahlreiche Publikationen von vergaberechtlichen Fachbeiträgen vorweisen. Homepage: https://fps-law.de/de/anwaelte-notare/aline-fritz.html/

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