Fachbeitrag

Freundliche Vergabe-Einstiegskurs für Start-ups

Chancen nutzen – Warum ist das öffentliche Beschaffungswesen für Start-ups interessant? 

Nach jüngsten Schätzungen der OECD vergibt die öffentliche Hand in Deutschland jedes Jahr Aufträge im Umfang von bis zu 500 Milliarden Euro. Das wären 15 Prozent des deutschen Bruttoinlandprodukts (Handelsblatt-Online, 08.01.2020). Demgegenüber erzielten Start-ups nur 4,0 Prozent ihrer Gesamtumsätze durch Geschäftsbeziehungen mit Behörden (Deutscher Start-up Monitor 2019). Die Gründe für diesen geringen Prozentsatz und warum sich eine Beteiligung lohnen würde, wollen wir in diesem Beitrag sowie in den zwei folgenden vertiefen. 

Gründe für die Zurückhaltung  

Start-ups scheinen eher zurückhaltend zu sein, wenn es darum geht, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die öffentliche Hand bisher selten ihre Beschaffungsprozesse offen für Start-ups gestaltet. Hinzu kommt, dass der organisatorische und administrative Aufwand für die Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen relativ hoch ist und gerade auch das streng formalisierte Vergabeverfahren als hohe Hürde empfunden wird. 

Eine Mitgliederumfrage des Deutschen Vergabenetzwerkes DVNW vom letzten Jahr bestätigt, dass 90 Prozent der Auftraggeber der Meinung sind, das Vergaberecht sei für die Bieter zu kompliziert. 85 Prozent der Auftraggeber meinen, dass auf Bieterseite zu wenig Kenntnis des Vergaberechts bestehe, um erfolgreich den Weg zum öffentlichen Auftrag zu finden. Interessant ist allerdings auch, dass 69 Prozent der Auftraggeber meinen, dass die Vorgaben auch für sie selbst zu kompliziert seien. 

Wenn schon „normale“ Bieter diese Probleme haben, scheint es nicht verwunderlich, dass Start-ups, laut allgemein anerkannter Definition kürzlich gegründete Unternehmen mit einer innovativen Geschäftsidee und hohem Wachstumspotential, aufgrund ihrer noch in der Entwicklung befindlichen Organisationsstruktur erst recht keine Kapazitäten haben, um sich mit der Materie des öffentlichen Auftragswesens zu beschäftigen.  

Wie ist die aktuelle Situation? 

Gerade in Zeiten der Pandemie könnte der öffentliche Markt für Start-ups besonders interessant sein. Zum einen investieren Unternehmen zögerlicher, zum anderen ist der Beschaffungsbedarf der öffentlichen Hand durch die Krise nur bedingt tangiert. Im Gegenteil: Öffentliche Aufträge werden weiterhin vergeben, sogar zum Teil Corona-bedingt noch in größerem Umfang als vorher. Durch die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie muss die öffentliche Hand beispielsweise notgedrungen massiv in die Digitalisierung investieren. 

Es lohnt sich also, sich dem öffentlichen Markt zu nähern und zu versuchen, die Hürden zu überwinden.  

Welche Herausforderungen gibt es? 

Das erste Problem dürfte schon darin bestehen, überhaupt Kenntnis von potenziellen Ausschreibungen zu erhalten. Soweit die Vergabeverfahren öffentlich bekannt gemacht werden – üblicherweise auf Onlineportalen – kann man sich als Start-up über geeignete Suchmaschinen einen guten Überblick über laufende Ausschreibungen verschaffen. Allerdings dürfen die öffentlichen Auftraggeber gerade bei kleineren Auftragswerten (üblicherweise unter 100.000 Euro) Verfahrensarten wählen, bei denen sie nicht öffentlich ausschreiben müssen. Wie kommt man in solchen Fällen an die Aufträge ran und wie macht man öffentliche Auftraggeber auf sein Produkt oder seine Leistung aufmerksam? 

Eine nächste Hürde stellen die Eignungsanforderungen dar. Unternehmen müssen mit ihrem Angebot Nachweise beibringen, die belegen, dass sie wirtschaftlich/finanziell und technisch/beruflich in der Lage sind, den Auftrag auszuführen. Insbesondere der Nachweis von vergleichbaren Referenzaufträgen oder langjähriger Erfahrung fällt Start-ups schwer. Welche Möglichkeiten des Vergaberechts kann man als Start-ups aktiv nutzen, um dennoch teilnehmen zu können? 

Weitere Herausforderungen sind die Flut von Formularen, die bei jeder Vergabestelle anders aussehen, der unübersichtliche Regelungsdschungeldurch das föderale System in Deutschland gefördert, sowie die mangelnde Kompatibilität der elektronischen Vergabeplattformen.   

Fazit: 

Wie man als Start-up die aufgezeigten Hürden meistern kann, welche Prinzipien beachtet werden müssen und welche rechtlichen Stellschrauben es gibt, beleuchten wir in den folgenden Beiträgen 

Autor

Aline Fritz berät, mit über 15 Jahren Erfahrung im Vergaberecht, sowohl die öffentliche Hand als auch Bieter in allen Phasen von Vergabeverfahren. Seit 2001 ist sie als Rechtsanwältin zugelassen und seit 2002 bei FPS in Frankfurt am Main tätig. Zuvor war sie Leiterin der Geschäftsstelle des forum vergabe e.V. beim BDI in Berlin. Aline Fritz hat umfassende Erfahrung in der Vertretung vor diversen Vergabekammern und Vergabesenaten der OLG. Sie hält regelmäßige Vorträge und Schulungen zum Vergaberecht und kann zahlreiche Publikationen von vergaberechtlichen Fachbeiträgen vorweisen. Homepage: https://fps-law.de/de/anwaelte-notare/aline-fritz.html/

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