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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Bei Eintragungsfehler Aufklärungspflicht des Auftraggebers

Die Vergabeunterlagen dürfen seitens der Bieter nicht geändert werden, Stichwort: Wettbewerbsverfälschung. Bei einem offensichtlichen Eintragungsfehler muss der Auftraggeber aber Aufklärung verlangen.

Bei einem undeutlichen Angebot ist der Auftraggeber verpflichtet, mit dem anbietenden Unternehmen Kontakt aufzunehmen und den genauen Inhalt des Angebots zu ermitteln. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit einer Entscheidung vom 2. August 2017 bestätigt.

In dem entschiedenen Fall wollte der Auftraggeber, dass die betroffene Entsorgungsleistung in einer bestimmten Weise – ohne das Nutzen einer eigenen Umschlagstelle – ausgeführt wird. Ein Bieter schrieb in seinem Angebot, dass er die Bedingungen des Auftraggebers einhalten werde. Außerdem beschrieb er, wie er derzeit die Leistung ausführt, nämlich mit seinen eigenen Umschlagstellen.

Auftraggeber kam beim Auslegen des Angebotstexts nicht weiter

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist das Angebot insoweit widersprüchlich. Ausgangspunkt ist dabei, dass der Auftraggeber zuerst eine Auslegung des Angebots versuchen muss. Was will der Bieter sagen? Will er im konkreten Fall eigene Umschlagstellen nutzen oder nicht? In vielen Fällen lässt sich dies dem Angebot entnehmen, so können unterschiedliche Teile des Angebots gemeinsam zu einem bestimmten Verständnis führen.

Im dem entschiedenen Fall kam der Auftraggeber mit der Auslegung jedoch nicht weiter und es blieb bei einer in sich widersprüchlichen Erklärung. Deswegen verlangte er vom Bieter, dass er den Angebotsinhalt erläutert. Der Bieter erklärte daraufhin, dass er beim Beschreiben, wie die Leistung derzeit ausgeführt wird, versehentlich einen Textbaustein verwendet habe und es allein darauf ankäme, dass er die Einhaltung der Bedingungen des Auftraggebers ausdrücklich bestätigt habe. Ein Konkurrent wollte den Ausschluss dieses Angebots erreichen, die Vorgehensweise des Auftraggebers sei unzulässig.

Das OLG Düsseldorf entschied, dass der Auftraggeber in einer solchen Situation nicht nur berechtigt, sondern ausnahmsweise sogar verpflichtet ist, ein Angebot aufzuklären. Grundsätzlich steht es im Ermessen des Auftraggebers, ob er eine Aufklärung vornimmt.

Versehentlich verwendeter Textbaustein als Ursache

Hier stellt das OLG Düsseldorf darauf ab, dass es wahrscheinlich sei, dass dem Bieter nur ein einfacher Eintragungsfehler untererlaufen sei. In einem solchen Fall reduziert sich dieses Ermessen zu einer Aufklärungspflicht des Auftraggebers.

Ausdrücklich weisen die Richter jedoch darauf hin, dass eine solche Aufklärung nicht zum Ändern eines Angebots führen dürfe. Es dürfe lediglich um eine Klarstellung des in sich widersprüchlichen Inhaltes gehen. Hier war die richtige Erklärung – die Einhaltung der Vorgaben des Auftraggebers – von Anfang an im Angebot enthalten. Nur durch den versehentlich verwendeten Textbaustein wurde sie scheinbar eingeschränkt.

Eine nähere rechtliche Begründung nimmt das OLG hierzu nicht vor. Allerdings liegt das Urteil auf einer Linie mit Beschlüssen des Oberlandesgerichts München und des Kammergerichts. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat bei offensichtlichen Kalkulationsfehlern des Bieters eine Rücksicht auf die Interessen dieses Bieters verlangt und das Ausnutzen solcher Kalkulationsfehler für unzulässig erklärt (BGH, vom 11. November 2014, X ZR 32/14). Das macht deutlich, welchen Rang im Vergaberecht die Rücksichtnahme auf einen Bieter hat.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hatte 2012 noch entschieden, dass es bei unklaren Angeboten keine Pflicht des Auftraggebers gibt, ein Angebot aufzuklären (Urteil vom 29. März 2012, C-599/10). Insoweit ist die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf weitergehend und schafft ein Mehr an Wettbewerb. Dies kommt letztlich sowohl den anbietenden Unternehmen als auch dem Auftraggeber selber zugute.

Quelle: Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Ausgabe 10/2018

Autor: Mark von Wietersheim, Geschäftsführer des Vereins Forum Vergabe, Berlin

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