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Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers – IT-Beschaffung an Schulen

Was ist passiert?

Eine kommunale Gebietskörperschaft und Schulträgerin von 88 Schulen (AG) schrieb im offenen Verfahren eine Rahmenvereinbarung über die Lieferung und Montage von interaktiven Displays inklusive Zubehöre, Software und Dienstleistungen für die kommunalen Schulen in ihrem Stadtgebiet aus.

Dabei entschied sich der AG für eine spezifische Ausschreibung konkreter Soft- und Hardwareprodukte des Herstellers T. Dabei waren in Folge einer produktneutralen vorherigen Ausschreibung in zahlreichen Schulen bereits Displays des T samt Software im Einsatz und zahlreiche Personen auf den Einsatz der Systeme geschult. Für die Homogenität im Unterricht aller Schulen sei daher erforderlich, dass auch die bisher nicht mit Displays ausgestatteten Unterrichtsräume mit Displays des T ausgefüllt würden. Zudem führe die Verwendung verschiedener Displays und Systeme zu einem deutlich höheren Wartungs-, Schulungs- und Supportbedarf sowie Kompatibilitätsproblemen.

Die Antragstellerin (AS) monierte mit ihrem Nachprüfungsantrag und in der darauffolgenden sofortigen Beschwerde u.a. einen Verstoß gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung, weil sie ihre Produkte nicht anbieten konnte.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg. Die produktspezifischen Vorgaben sind nach § 31 Abs. 6 S. 1 VgV gerechtfertigt, wenn vom AG nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen wurde, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert. Dem AG steht dabei ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Entscheidung muss aber dokumentiert sein. Außerhalb des sicherheitsrelevanten Bereichs, für den geringere Anforderungen gelten, muss der AG aufzeigen, dass durch einen Wechsel des Systems ein unverhältnismäßiger Mehraufwand entstünde oder die Funktionalität auf nicht hinnehmbare Weise beeinträchtigt würde. Im vom OLG entschiedenen Fall genügte die Begründung des AG diesen Anforderungen.

Praxishinweis

Dem AG steht bei der Einschätzung, ob die Vorgabe eines bestimmten Produkts ausnahmsweise gerechtfertigt ist, ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Die maßgeblichen Erwägungen müssen ausführlich begründet und dokumentiert sein. Für Bieter kann es daher besonders interessant sein, im Rahmen von vorgelagerten, produktneutralen Vergaben den Zuschlag zu erhalten.

Maßgebliche Entscheidung: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.07.2024 – VII-Verg 2/24

Weitere Informationen


Autor: Dr. Karsten Kayser
Datum: 10.07.2024
Gericht: OLG Düsseldorf
Aktenzeichen: VII-Verg 2/24
Typ: Beschluss
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