Was ist passiert?
In einem europaweiten Vergabeverfahren wurde während der Angebotsphase durch die Vergabestelle ein sog. „Änderungspaket“ auf die Vergabeplattform hochgeladen. Dieses Änderungspaket enthielt weitere, von den Bietern vorzulegende Unterlagen, insbesondere eine von den Bietern auszufüllendes Formblatt über eine Stoffpreisklausel. Sowohl im Änderungspaket als auch mittels Bieter-Fragen-Antworten-Katalog wurde auf dieses Formular hingewiesen. Ferner wurde auch ausgeführt, dass dieses Formular nicht nachgefordert werde.
Die Antragstellerin lud ihr Angebot fristgerecht hoch, allerdings ohne die Unterlagen des Änderungspakets. Die Antragstellerin wurde daraufhin von der Vergabestelle ausgeschlossen. Dies rügte die Antragstellerin mit der Begründung, dass die Vorlage des Formblatts in der ursprünglichen Ausschreibung nicht erkennbar gewesen wäre und daher nicht nachträglich gefordert werden dürfte. Zudem hätte die Möglichkeit der Nachforderung eingeräumt werden müssen. Nach erfolgloser Rüge stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Die Vergabestelle betont in ihrem Beschluss die Wahrung der Verfahrensgrundsätze von Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit nach § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Der Auftraggeber ist grundsätzlich berechtigt, die Vergabeunterlagen nachträglich zu ändern. Zudem sei die mit dem Änderungspaket nachträglich aufgestellte Vorgabe des Nachforderungsausschlusses und die hieraus folgende Konsequenz des Angebotsausschlusses bei Nichteinreichung den Bietern transparent mitgeteilt worden. Die rechtlichen Konsequenzen waren dabei nach Ansicht der Vergabekammer für einen in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht durchschnittlichen Bieter erkennbar gewesen.
Der vorliegende Nachforderungsausschluss sei so die Vergabekammer, auch von § 16a EU Abs. 2 VOB/A umfasst. Das Angebot war deshalb wegen Unvollständigkeit zwingend auszuschließen.
Praxistipp
Bieter sind aufgefordert, während der Angebotsphase und eines evtl. vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs zu prüfen, ob neue Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt werden. Auf diesem Weg in das Verfahren eingeführte Unterlagen und Vorgaben sind im weiteren Vergabeverfahren zu beachten. Auf ein „Übersehen“ kann sich ein Bieter nicht berufen.
Autor:
Menold Bezler Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB
Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt
Weitere Informationen
Datum: 24.01.2023
Gericht: VK Berlin
Aktenzeichen: 2-35/22
Typ: Beschluss