Eine Auftragsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb ist die Ausnahme von der Regel und nur in gesetzlich normierten Fällen vorgesehen. Die neuere Rechtsprechung des EuGH hält an diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis mit eiserner Hand fest und setzt − jedenfalls für den Bereich der Ausschließlichkeitsrechte − erhöhte Anforderungen. Bieterrechte und das dem Vergabeverfahren immanente Wettbewerbsprinzip wurden nachhaltig gestärkt. Umso mehr müssen Bieter also etwaige Marktabschottungen nicht zwingend akzeptieren und sollten wissen, was sie dagegen tun können.
Was sind Ausschließlichkeitsrechte?
Ein Ausschließlichkeitsrecht liegt vor, wenn Leistungen nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden können. Es ermöglicht öffentlichen Auftraggebern die Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und wird regelmäßig bei bestehenden Patenten, Softwarelizenzen oder exklusiven Vertriebsrechten angenommen.
Keine Direktvergabe bei hausgemachten Ausschließlichkeitsrechten?
Öffentliche Auftraggeber können sich bei einer Vergabe ohne Teilnahmewettbewerb spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 09.01.2025 (Az.: C-578/23) nicht mehr auf die bloße Existenz eines Ausschließlichkeitsrechts berufen. Diese sind vielmehr gehalten, zuvor alles dafür zu tun, um eine Vergabe ohne Teilnahmewettbewerb zu verhindern. So kann eine solche Vergabe auch dann unzulässig sein, wenn das Entstehen eines Ausschließlichkeitsrechts auf Umstände aus dem hoheitlichen Einflussbereich zurückzuführen ist. Gleiches gilt, wenn angemessene tatsächliche und wirtschaftliche Mittel zur Beendigung der Ausschließlichkeitssituation vorliegen.
Handlungsoptionen der Bieter
Für übergangene Bieter bestehen nach Kenntniserlangung von den Umständen, die auf eine rechtswidrige Auftragsvergabe hindeuten, verschiedene Handlungsoptionen. Diese richten sich im Wesentlichen nach dem Wert der Vergabe:
- EU-Schwellenwert wird überschritten:
Wird der EU-Schwellenwert überschritten, haben Bieter gemäß § 135 GWB die Möglichkeit, innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss eines Vertrags ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Auf diesem Wege kann die Unwirksamkeit des öffentlichen Auftrags gerichtlich feststellt werden. Der öffentliche Auftrag wird so behandelt, als wäre er von Beginn an nicht existent gewesen. Bieter können damit also zu einem Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb drängen und eine Marktöffnung herbeiführen. Erfolgt keine (ordnungsgemäße) Veröffentlichung des Vertragsschlusses kann die Unwirksamkeit in bis zu sechs Monaten nach Vertragsschluss angegriffen werden. Nach Ablauf dieser absoluten Frist ohne die Geltendmachung im Nachprüfungsverfahren wird der geschlossene Vertrag endgültig wirksam.
- EU-Schwellenwert wird nicht überschritten:
Wird der EU-Schwellenwert nicht erreicht, findet § 135 GWB keine Anwendung. In diesem Falle bringt eine rechtswidrige Vergabe möglicherweise andere Rechtsfolgen (z.B. zivilrechtliche Schadensersatzansprüche) mit sich.
Fazit
Bei Auftragsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb auf der Grundlage von Ausschließlichkeitsrechten ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Der erteilte öffentliche Auftrag könnte unwirksam sein.
Um zu eruieren, ob in dem jeweiligen Einzelfall eine rechtswidrige Auftragsvergabe vorliegen könnte und welche Maßnahmen zweckmäßig sind, sollte Rat von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin mit Tätigkeitsschwerpunkt im Vergaberecht eingeholt werden. Schnelligkeit ist hier von zentraler Bedeutung. Eine zeitnahe Konsultation ermöglicht eine umfassende Prüfung des Falles und verhindert, dass mögliche Rechte durch eine verspätete Geltendmachung abgeschnitten werden.

Anna Rennen ist seit 2014 als Rechtsanwältin in der Wirtschaftskanzlei Bird & Bird LLP in Düsseldorf tätig. Als Fachanwältin für Vergaberecht berät sie öffentliche Auftraggeber und private Unternehmen zu unterschiedlichen Fragen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe. Den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildet die Durchführung von komplexen Vergabeverfahren in den Bereichen IT, Gesundheit, Verkehr sowie Verteidigung und Sicherheit. Im IT-Bereich liegt ihre Expertise insbesondere im Bereich infrastruktureller und innovativer Großprojekte, bei denen sie in allen Phasen von der Auftragsvergabe bis über das Projektcontrolling inklusive Umgang mit Leistungsstörungen während der Auftragsausführung berät. Dazu gehört neben der rein juristischen auch und insbesondere eine weitsichtige strategische Beratung. Seit 2025 ist sie stellvertretendes Mitglied im Vorprüfungsausschuss Vergaberecht im Kammerbezirk Düsseldorf. Außerhalb ihrer Praxis hält sie regelmäßig Fachvorträge, Schulungen und Workshops zu vergaberechtlichen Themen, u.a. zu aktuellen Entscheidungen im Vergaberecht, Ausschreibungen im IT-Bereich, Grundlagenschulungen sowie speziellen Beschaffungsprojekten. Homepage: https://www.twobirds.com/de/people/a/anna-horschik/