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Der Wettbewerbliche Dialog: Besonderheiten und Anwendungsbereiche

Wie funktioniert der wettbewerbliche Dialog? Wann kann diese Verfahrensart angewendet werden?  Sowohl für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen (§ 14 Abs. 1, 3 VgV) als auch für Bauleistungen (§§ 3 EU Nr. 4, 3a EU Abs. 4 VOB/A) ist der Wettbewerbliche Dialog vorgesehen.  Auf den ersten Blick ähneln sich das Verhandlungsverfahren und der wettbewerbliche Dialog. Bei genauerem Hinsehen unterscheiden sich die Verfahrensarten jedoch stark voneinander.

Bei den „klassischen Verfahrensarten“ des Vergaberechts startet ein öffentlicher Auftraggeber mit einer Vergabe, sobald er eine genaue Vorstellung über den zu beschaffenden Leistungsgegenstand hat. Der wettbewerbliche Dialog ist anders. Er ist darauf ausgerichtet, das Leistungsbild durch Lösungsvorschläge der Bieter erst zu entwickeln und dann im Detail festzulegen.

Anwendungsbereich

Der wettbewerbliche Dialog ist für besonders komplexe Projekte z.B. im Verkehrsinfrastruktur- und Anlagenbau, im IT-Bereich oder bei Vergaben im Forschungsbereich gedacht. Hier ist der öffentliche Auftraggeber oft nicht in der Lage, z.B. die – technischen oder wirtschaftlichen – Mittel anzugeben, mit denen sein Bedarf erfüllt werden kann. Die abschließende Festlegung des Vergabegegenstands steht also nicht am Anfang des Verfahrens, sondern erfolgt im Dialog mit den Bietern.

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Ablauf des wettbewerblichen Dialogs

Der wettbewerbliche Dialog ist dreistufig aufgebaut.

Das Verfahren beginnt mit dem Teilnahmewettbewerb zur Auswahl geeigneter Bewerber. In diesem ersten Verfahrensschritt prüft der Auftraggeber die Eignung der Bewerber anhand zuvor festgelegter Eignungskriterien.

Im Anschluss eröffnet der öffentliche Auftraggeber mit den ausgewählten Bewerbern einen Dialog (sog. Dialogphase). In dieser zweiten Stufe des Verfahrens steht die inhaltliche Festlegung des Auftragsgegenstandes im Vordergrund. Gemeinsam mit den Teilnehmern entwickelt der öffentliche Auftraggeber eine oder mehrere Lösungen für seinen Beschaffungsbedarf.

Um zu vermeiden, dass Teilnehmer Vorschläge und Lösungen von einem Konkurrenten „kopieren“, ist der Dialog grundsätzlich mit jedem Bewerber separat zu führen. Ohne Zustimmung der Unternehmen dürfen keine vertraulichen Informationen an andere am Verfahren beteiligte Unternehmen weitergegeben werden. Verhandlungen über Angebote werden in der Dialogphase nicht geführt. Der Auftraggeber ist jedoch berichtigt, den Dialog in mehreren Phasen abzuwickeln und hierbei den Kreis der Teilnehmer aufgrund vorgegebener Kriterien zu reduzieren. Allerdings muss zur Sicherstellung des Wettbewerbs bis zum Schluss eine ausreichende Anzahl an Bietern vorhandenen sein. Am Ende der Dialogphase wird der Vergabegegenstand final festgelegt und der Auftraggeber erklärt den Dialog für abgeschlossen.

Die noch im Wettbewerb verbliebenen Unternehmen werden in der dritten und letzten Phase aufgefordert, auf der Grundlage der eingereichten und in der Dialogphase näher ausgeführten Lösungen, endgültige Angebote einzureichen. Der Zuschlag wird im Anschluss auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Verhandlungen oder Modifikationen des Angebots sind in dieser dritten Verfahrensphase mit Ausnahme von Klarstellungen nicht mehr zulässig. Der Ablauf dieser Phase gleicht daher den formstrengen Verfahrensarten (Offenes und Nichtoffenes Verfahren).

Unterschied zu anderen Verfahren kann der öffentliche Auftraggeber am Ende der Dialogphase aber auch von einer Vergabe absehen. Wenn aus seiner Sicht keine Lösung gefunden wurde, die seinen Anforderungen genügt, ist es möglich, das Verfahren zu beenden.

Praxishinweis

Der wettbewerbliche Dialog ist kein vergaberechtliches „Standardverfahren“. In der Praxis findet der Wettbewerbliche Dialog daher auch nur eingeschränkt Anwendung. Die Verfahrensart hat aber dort ihre Berechtigung, wo der Auftraggeber auch bei sorgfältiger Vorbereitung nicht in der Lage ist, die Mittel zur Befriedigung des Bedarfs zu definieren oder zu beurteilen, was der Markt an technischen, finanziellen oder rechtlichen Lösungen zu bieten hat. Insbesondere, dort, wo neue, nicht standardisierte technische Lösungen zum Einsatz kommen sollen, ermöglicht der Dialog den Auftraggebern, im Austausch mit Unternehmen realisierbare Lösungen zu entwickeln. In vielen anderen Konstellationen stellt dagegen das Verhandlungsverfahren eine einfachere und praktikable Alternative dar.