Kapitel II: Die 4 Schritte für eine erfolgreiche Beteiligung an Vergabeverfahren
Schritt 1: Sich bekannt machen und Ausschreibungen richtig suchen!
Die Auftraggeber ermitteln im Vorfeld eines Vergabeverfahrens im Rahmen einer Markterkundung ihren konkreten Beschaffungsbedarf. Daher ist es sehr wichtig, dass Start-ups über ihr „normales“ Marketing und ihren Vertrieb ihr Produkt bzw. ihre Dienstleistung bei Kommunen und anderen öffentlichen Auftraggebern – außerhalb eines konkreten Vergabeverfahrens – bewerben. Eine Kontaktsperre gibt es erst und nur, wenn ein Vergabeverfahren eingeleitet worden ist.
Dies ist umso wichtiger für die Verfahren, in denen der Auftraggeber direkt drei bis fünf Unternehmen zur Angebotsabgabe auffordert. Der Auftraggeber ermittelt dann nämlich im Rahmen der Markterkundung auch die geeigneten Unternehmen, die er auffordern möchte. Hierbei hat der Auftraggeber einen sehr großen Ermessenspielraum. Er soll lediglich dafür sorgen, dass zwischen Unternehmen gewechselt wird und nicht immer dieselben aufgefordert werden. Hier gilt folglich: Nur wer bekannt ist, kann im Vergabeverfahren berücksichtigt und zur Angebotsabgabe aufgefordert werden!
Für Ausschreibungen, denen eine Bekanntmachung vorausgeht (ab bestimmten Auftragswerten eine öffentliche Ausschreibung/ein offenes Verfahren oder ein Teilnahmewettbewerb) empfiehlt es sich, gerade am Anfang verschiedene professionelle Ausschreibungssuchdienste zu testen, da die eigene manuelle Suche häufig sehr zeitaufwendig und wenig effektiv ist!
Schritt 2: Unterlagen genau lesen!
Hinsichtlich der vielen Formerfordernisse und Regularien im Vergaberecht ist es wichtig, die Unterlagen des Auftraggebers immer ganz genau zu lesen, auch das „Kleingedruckte”:
- Wie sind die Angebote genau abzugeben?
- Gibt es besondere technische Vorgaben? Für die elektronische Angebotsabgabe sollte man sich frühzeitig mit dem e-Vergabesysteme beschäftigen und nicht erst kurz vor Ablauf der Angebotsfrist mit dem Hochladen des Angebots anfangen!
- Welche Unterlagen müssen mit dem Angebot abgegeben werden?
- Wie alt darf der Handelsregisterauszug sein? Wie hoch ist die geforderte Mindestdeckungssumme der Versicherung?
- Was ist alles wertungsrelevant? Wird nur nach dem Preis gewertet oder gibt es noch weitere Zuschlagskriterien? Wie kann ich mein Angebot entsprechend gestalten?
Start-ups sollten wissen, dass der Auftraggeber bei fehlenden Unterlagen das Angebot ausschließen kann, bei inhaltlich falschen Unterlagen (z.B. bei einer zu niedrigen Mindestdeckungssumme der Versicherung) muss er es in der Regel sogar.
Schritt 3: Im Zweifel Bieterfragen stellen!
Sollten die Vergabeunterlagen unklar sein, ist zu empfehlen, immer und so lange Fragen zu stellen, bis diese geklärt sind – und zwar vor Abgabe des Angebots bzw. Ablauf der Bewerbungsfrist. Nur in dieser Phase kann der Auftraggeber noch auf Änderungswünsche oder Hinweise reagieren. Nach Ablauf der Frist gilt ein Verhandlungsverbot (Ausnahme davon nur in der Verhandlungsvergabe bzw. im Verhandlungsverfahren!).
Die Antworten auf Bieterfragen muss der Auftraggeber als Teil der Vergabeunterlagen nach § 8 VgV allen Bietern anonymisiert zur Verfügung stellen, um den Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz zu wahren.
Enthalten die Vergabeunterlagen eine Frist, bis zu deren Ende Fragen gestellt werden können, ist diese selbstverständlich zu beachten. Stellt sich eine kalkulationsrelevante Frage aber erst nach Ablauf dieser Frist, sollte man diese Frage dennoch stellen. Es ist im Interesse des Auftraggebers, diese auch noch zu beantworten und notfalls die Angebotsfrist zu verlängern.
Schritt 4: Anforderungen sklavisch befolgen!
Die Anforderungen des Auftraggebers sind „sklavisch“ zu befolgen. Jede Änderung kann zum Ausschluss des Angebots führen.
Im Angebot sind Formulierungen wie:
- „Angaben können nicht gemacht werden“,
- „Angaben nicht möglich“,
- „Angaben vertraulich“
oder ähnliches unbedingt zu vermeiden. Bei solchen Formulierungen muss in der Regel der Ausschluss erfolgen, es sei denn, es wurde vorab über die Bieterfragen geklärt, dass bestimmte Angaben nicht zwingend erforderlich sind.
Auch sollte dem Angebot möglichst kein Anschreiben beigefügt werden, wenn doch, dann höchstens als „Einzeiler“. Denn alles, was über ein reines „Danke, dass wir ein Angebot abgeben dürfen“ hinausgeht, könnte Änderungen an den Unterlagen beinhalten und zum Ausschluss führen.
Der Auftraggeber gibt die Vertragsbedingungen vor. Der Bieter hat somit grundsätzlich keine eigenen AGB oder Vertragsbedingungen beizufügen.
Fazit:
Wenn man diese Schritte befolgt, sollte man keine Probleme im Vergabeverfahren haben.
Aline Fritz berät, mit über 15 Jahren Erfahrung im Vergaberecht, sowohl die öffentliche Hand als auch Bieter in allen Phasen von Vergabeverfahren. Seit 2001 ist sie als Rechtsanwältin zugelassen und seit 2002 bei FPS in Frankfurt am Main tätig. Zuvor war sie Leiterin der Geschäftsstelle des forum vergabe e.V. beim BDI in Berlin. Aline Fritz hat umfassende Erfahrung in der Vertretung vor diversen Vergabekammern und Vergabesenaten der OLG. Sie hält regelmäßige Vorträge und Schulungen zum Vergaberecht und kann zahlreiche Publikationen von vergaberechtlichen Fachbeiträgen vorweisen. Homepage: https://fps-law.de/de/anwaelte-notare/aline-fritz.html/