Was ist passiert?
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) schrieb im Rahmen der Sanierung eines Museums Projektsteuerungsleistungen europaweit aus. Als Eignungskriterium forderte er als Mindeststandard eine Referenz betreffend die „Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen des Neubaus/der Sanierung/eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung der Schnittstelle zum Bauprojekt“. Als weitere Mindestanforderung forderte der AG zwei Referenzen über eine Projektsteuerung bei Bauvorhaben mit Baukosten über mindestens 100 Mio. EUR brutto und einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren sowie eine Beschäftigung von mindestens 80 Mitarbeitern, davon mindestens 50 Architekten und Bauingenieure.
Ein Interessent griff die aus seiner Sicht überzogenen Eignungsanforderungen zunächst vor der Vergabekammer und anschließend vor dem Bayrischen Obersten Landesgericht (BayObLG) an.
Die Entscheidung
Mit Erfolg! Das BayObLG sah in der erstgenannten Referenz einen Verstoß gegen § 122 Abs. 4 S. 1 GWB. Demnach dürfen nur Eignungskriterien aufgestellt werden, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu ihm in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Bei der Aufstellung der Anforderungen sind unter anderem die Komplexität des Auftrags und das Gewicht, das die ordnungsgemäße Auftragserfüllung für den Auftraggeber hat, in den Blick zu nehmen. Je komplexer der Auftragsgegenstand, desto höhere Eignungsanforderungen können gestellt werden. In die Angemessenheitsprüfung sind aber auch die Auswirkungen auf den Wettbewerb einzubeziehen. Besonders hohe Anforderungen können unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, weil nur ein oder wenige Unternehmen sie erfüllen. In einem solchen Fall ist es nötig, dass die Anforderungen durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sind. Je einschneidender der Wettbewerb beschränkt wird, desto höher sind die Anforderungen an die gewichtigen Gründe. Im Rahmen des Verfahrens stellte sich heraus, dass nahezu kein Unternehmen diese Anforderungen erfüllen kann. Das BayObLG sah insbesondere in der Einschränkung auf „drei Dauerausstellungen“ (Warum nicht auch temporäre Ausstellungen; Warum drei, wenn unklar ist, was „eine“ Ausstellung ist?) eine unangemessen hohe Anforderung.
Praxishinweis
Öffentlichen Auftraggebern kommt bei der Ausgestaltung der Eignungsanforderungen zwar ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Insbesondere in Bereichen mit einem ohnehin stark eingeschränkten Wettbewerb ist die Angemessenheit der Eignungsanforderungen allerdings sorgfältig zu prüfen.
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Datum: 06.09.2024
Gericht: BayObLG
Aktenzeichen: Verg 5/22
Typ: Beschluss