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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Neues zur Abgrenzung von Bau- und Dienstleistungsauftrag

Das OLG Schleswig entscheidet: Abgrenzung Bau-und Dienstleistungsaufträge durch EU-Schwellenwerte, wesentlich für Verfahrensordnung und Rechtsschutz.

Was ist passiert?

Der Auftraggeber schrieb die Beschaffung von Sensorik und einer Datenplattform in vier Losen als Bauleistung national aus. Hierbei betrafen die Lose  1 bis 3 die Sensorik und Los 4 die Datenplattform. Ziel dieser Ausschreibung sollte es sein, prozesshaft die Sensor-Infrastruktur technisch aufzubauen und an 15 Standorten der Region die Anwendungen zu erproben. Für die Lose 1 bis 3 hatten die Bieter alle notwendigen Leistungen anzubieten, insbesondere die notwendigen Konfigurations- und Versorgungsleistungen, Transport- und Installationsarbeiten und die technische Übergabe und Einweisung einschließlich eines erfolgreichen Funktionstests aller Komponenten. Der geschätzte Auftragswert lag oberhalb des Schwellenwerts für Liefer- und Dienstleistungsaufträge, jedoch unterhalb des Schwellenwerts für Bauaufträge.

Das Angebot der späteren Antragstellerin lag bei Los 2 auf dem zweiten Platz. Die Antragstellerin rügte die Durchführung als nationale Bauvergabe und Wertungsaspekte.

Die Entscheidung

Das OLG Schleswig entschied im Rahmen eines Eilverfahrens, dass der Nachprüfungsantrag zulässig ist. Nach § 103 Abs. 3 GWB ist ein Bauauftrag definiert als „ein Vertrag über die Ausführung oder gleichzeitige Planung und Ausführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit den in Anhang II der RL 2014/24 EU genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerkes, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.“

Umfasst ein Auftrag Leistungen, die zu verschiedenen Auftragsarten gehören, richtet sich die maßgebliche Auftragsart nach dem Hauptgegenstand des Vertrages. Dabei ist nach dem OLG Schleswig auf die wesentlichen, vorrangigen Verpflichtungen abzustellen, die den Auftrag prägen, nicht auf Verpflichtungen bloß untergeordneter oder ergänzender Art, die zwingend aus dem eigentlichen Gegenstand des Vertrages folgen. Der Wert der zu erbringenden Einzelleistungen ist nur ein Kriterium unter anderen, die bei der Ermittlung des Hauptgegenstandes zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist die funktionale Zuordnung der Leistungen zum jeweiligen Vertragstyp und deren gegenständliche, vertragliche Bedeutung (so bereits OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 66/18).

Das OLG Schleswig kam zu dem Ergebnis, dass die von der Antragsgegnerin ausgeschriebene Leistung nach diesem Maßstab  keine Bauleistung ist. Als Bauleistung kann allenfalls die Montage von Sensoren angesehen werden. Die Montage stelle jedoch nicht die Hauptleistung des ausgeschriebenen Beschaffungsvorhabens und auch nicht des betroffenen Loses 2 dar. Ziel des Vergabeverfahrens sei, so das OLG Schleswig, ist nicht allein die Montage von Sensoren, sondern die Schaffung eines Systems aus Sensoren, die Daten erfassen und diese an die Datenplattform weiterleiten, wo sie weiter verarbeitet werden.

Der somit als Dienstleistungsauftrag einzuordnende Auftrag überschreitet den relevanten Schwellenwert für Dienstleistungen, womit der Vergaberechtsweg eröffnet ist.

Praxistipp

Die Möglichkeiten des Bieterrechtsschutzes unterscheiden sich zwischen Ober- und Unterschwellenbereich erheblich. Die Unterscheidung zwischen Liefer- und Bauauftrag sollten sich Bieter daher bewusst machen, um die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu nutzen. Ein Vergabenachprüfungsverfahren ist auch dann möglich, wenn, wie vorliegend, ein europaweit auszuschreibender Auftrag unzulässigerweise nur national ausgeschrieben wird.

Author

Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt und Partner

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Beschluss
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