Was ist passiert?
Ein Auftraggeber schrieb europaweit in einem Offenen Verfahren Bauleistungen aus, wobei der Preis das einzige Zuschlagskriterium war.
Die spätere Antragstellerin sowie andere Bieter reichten Angebote ein. Der Zuschlag fiel auf die (spätere) Beigeladene aufgrund des günstigsten Preises. Der preisliche Abstand zwischen Bestbieter und der späteren Antragstellerin als zweitplatziertem Bieters betrug rund 35%. Daraufhin forderte die spätere Antragstellerin den Auftraggeber dazu auf, bei der Beigeladenen eine Preisprüfung durchzuführen. Eine solche Prüfung wurde durch den Auftraggeber im Anschluss unternommen, woraufhin dieser aber der Antragstellerin mitteilte, dass die Beigeladene hinreichend darlegen konnte, wie sich deren Preis zusammensetze und sich daher an der Wertung der Angebote nichts ändere.
Die spätere Antragstellerin rügte die beabsichtigte Zuschlagserteilung und zeigte unter Bezugnahme auf einige Positionen des Leistungsverzeichnisses auf, warum der Preis des Bestbieters unangemessen niedrig sei. Nach der erfolglosen Rüge stellte sie einen Nachprüfungsantrag.
Was wurde entschieden?
Die Vergabekammer des Bundes hielt den Antrag für zulässig und begründet.
Der Auftraggeber muss an einen Bieter, dessen Angebot deutlich günstiger als die Angebote er Konkurrenz ist, eine eindeutige Anforderung richten, mit der Erläuterungen zu den angebotenen Preisen verlangt und dem Bieter die Gelegenheit eingeräumt wird, die Auskömmlichkeit und Seriosität des Angebotes nachzuweisen. Eine derartige Prüfung setzt zudem voraus, dass eine gesicherte Erkenntnisgrundlage für die zu treffende Entscheidung des Auftraggebers über die Wertbarkeit des Angebots geschaffen wird. Dabei sind der Überprüfungspflicht allerdings durch den Grundsatz der Zumutbarkeit Grenzen gesetzt.
Diesen Anforderungen ist der Auftraggeber zunächst nachgekommen. Die Beigeladene hat der gestellten Preisaufklärungsanforderung Folge geleistet, indem sie für alle aufgelisteten Leistungspositionen eine kurze Erläuterung inkl. der Urkalkulation übermittelte. Allerdings genügten diese Angaben nicht für die Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot als zuschlagsfähig anzusehen. Nach Auffassung des Gerichts fehlte es an den Voraussetzungen einer vergaberechtskonformen Ausübung des Ermessens des Auftraggebers.
Hintergrund ist, dass der Auftraggeber lediglich die rechnerische Richtigkeit geprüft hatte. Es fehlte allerdings an der erforderlichen Plausibilitätsprüfung, ob die angebotenen Entgelte realistisch kalkuliert sind. Die Preisprüfung war daher zu wiederholen.
Praxistipp
Eine Pflicht zur Prüfung der Preisbildung obliegt dem Auftraggeber nach vorherrschender Meinung ab einer Differenz zwischen dem bestplatzierten Angebot und dem Zweitplatzierten, abhängig vom jeweiligen Markt von mehr als ca. 15 bis 20 %. Die preisliche Aufklärung darf sich nicht alleine auf die rechnerische Richtigkeit beschränken, sondern muss eine gesicherte Tatsachengrundlage für die Feststellung der Angemessenheit des Angebots bieten bzw. darlegen, dass der Bieter im Falle eines Unterkostenangebots wettbewerbskonform angeboten hat und in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen. Neben rechnerischen Unklarheiten müssen daher auch inhaltlich alle preisrelevanten Aspekte des Angebots untersucht werden. Zudem bedarf eine ordnungsgemäße Aufklärung einer konkreten Auseinandersetzung mit den Angaben und Erklärungen des Bieters.
Weitere Informationen
Datum: 15.11.2021
Gericht: Vergabekammer des Bundes
Aktenzeichen: VK 1-112/21
Typ: Beschluss