Auftraggeber muss Bieter vor sinnlosen Nachprüfungsverfahren bewahren
Aus § 241 Abs. 2 BGB können sich Informationspflichten für den öffentlichen Auftraggeber ergeben.
Der Auftraggeber soll einen Bieter durch eine hinreichende Information vor der Einleitung eines offensichtlich erfolglosen Nachprüfungs-verfahrens mit entsprechender Kostenfolge zu bewahren.
Was ist passiert?
Der AG schrieb 2019 Rohbauarbeiten nebst begleitenden Gewerken im offenen Verfahren europaweit aus. Eine Teilnahmebedingung war, dass die Bieter auf Verlangen hin die jeweiligen Nachunternehmer benennen und entsprechende Eignungsnachweise abgeben. Nach Aufforderung durch den AG konnten sowohl das erstplatzierte Unternehmen als auch die zweitplatzierte Antragstellerin die Nachweise nicht vollständig erbringen. Der AG schloss beide Unternehmen von der Wertung aus. Nach erfolgloser Rüge stellt die Antragstellerin bei der VK Nachprüfungsverfahrensantrag.
In seiner Antragserwiderung teilte der AG mit, dass er auch das Angebot des erstplatzierten Unternehmens aus identischen Gründen ausgeschlossen habe. Dies wusste die Antragstellerin bis dahin nicht. Daraufhin nahm die Antragstellerin die Nachprüfungsantrages zurück und die VK stellte das Nachprüfungsverfahren ein.
Die VK bestimmt den AG als Kostenschuldner für die Verfahrenskosten vor der VK und stellt auch fest, dass der AG persönlich gebührenbefreit ist. Weiter hat die VK die Rechtsverfolgungskosten des Antragsgegners der Antragstellerin auferlegt. Die VK beschließt, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens des AG nicht notwendig war. Die AG legt sofortige Beschwerde ein. Die Antragstellerin weist die Beschwerde zurück und beantragt Anschlussbeschwerde.
Was wurde entschieden?
Die sofortige Beschwerde des AG ist laut OLG insoweit unzulässig, als sie sich gegen den VK-Beschluss zu den Verfahrenskosten vor der VK richtet. Zwar wurde der AG formell als Kostenschuldner ausgewiesen, jedoch ist ihm materiell kein Schaden entstanden. Als Beteiligter des Nachprüfungsverfahrens unterfällt er dem Tatbestand der persönlichen Gebührenfreiheit und ist nicht beschwerdebefugt. Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde zulässig aber unbegründet.
Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist nur teilweise begründet. Die VK hat der Antragstellerin die Rechtsverfolgungskosten des AG zu Unrecht auferlegt: Der AG hat das Entstehen seiner zur Rechtsverteidigung im Nachprüfungsverfahren notwendigen Kosten selbst verschuldet. Jedenfalls aus § 241 Abs. 2 BGB können sich Informationspflichten für den öffentlichen Auftraggeber ergeben. Spätestens in der Rügeerwiderung hätte die Zweitplatzierte über die Ausschlussgründe der Erstplatzierten informiert werden müssen. Ein Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hatte hier ganz offensichtlich keinerlei Aussicht auf Erfolg. Da Vergabeverfahren als Geheimwettbewerb durchgeführt werden, war das Informationsgefälle für den öffentlichen Auftraggeber auch erkennbar.
Praxistipp
Ein Vergabeverfahren kann Informations- und Aufklärungspflichten für den öffentlichen Auftraggeber begründen. Schon die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sind nicht unerheblich. Der Bieter hat ein Interesse daran, die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsantrags möglichst zuverlässig einschätzen zu können. Der Auftraggeber muss den Bieter unaufgefordert über erkennbar entscheidungserhebliche Umstände informieren. In jedem Fall empfiehlt es sich, Akteneinsicht zu beantragen.
Autor
Rechtsanwalt Ronny Lohmann ist einer der Partner von Vergabekanzlei abante Rechtsanwälte Kins Lohmann PartG in Leipzig. Seit Jahr 2005 arbeitet er als selbstständiger Rechtsanwalt. Seine Tätigkeitsbereiche:
- Vergaberecht, projektbegleitende Rechtsberatung (Bau/Planung, ITK)
- Privates und öffentliches Baurecht
- Grundstückrecht / Leitungsrechte / Gestaltung /Grundbuchbereinigung
- Recht der Versorgungswirtschaft / Technischen Infrastruktur
- Breitband- und Telekommunikationsrecht, Vertragsrecht.
Autor: Ronny Lohmann