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Vergaberecht, aktuelle Urteile

Formgerechtes Angebot wird nicht zwingend durch vorherige Einreichung per Email „infiziert“

Formgerechtes Angebot wird nicht zwingend durch vorherige Einreichung per Email „infiziert“.

Was ist passiert?

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Rahmenvereinbarungen zur Beauftragung von Sachverständigen für ein Polizeipräsidium europaweit im Offenen Verfahren aus. Entsprechend der üblichen Vorgaben zur eVergabe waren Angebote elektronisch in Textform über eine Vergabeplattform einzureichen. Der Beschwerdeführer reichte zunächst ein unverschlüsseltes Angebot via Email ein. Die Email enthielt das Anschreiben, das Angebotsformular war als Anhang beigefügt. Die Antragstellerin wurde von der Vergabestelle darauf hingewiesen, dass das Angebot in dieser Form gegenstandslos sei und Angebote „digital“ einzureichen seien. Daraufhin reichte die Antragstellerin ein Angebot über die Vergabeplattform ein. Das Angebot der Antragstellerin wurde daraufhin wegen Verstoßes gegen die Formvorschriften ausgeschlossen, da es durch das per Email eingereichte Angebot „infiziert“ sei. Hiergegen wehrte sich die Beschwerdeführerin.

Entscheidung

Der Ausschluss hatte schließlich vor dem OLG keinen Bestand. Ein Ausschlussgrund lag aus Sicht des Vergabesenats nicht vor.

Der Ausschlussgrund nicht form- bzw. fristgerecht eingegangener Angebote nach § 57 VgV solle insbesondere verhindern, dass Bieter bevorteilt werden, die Frist- und Formvorgaben missachten, so dass ihnen mehr Zeit für die Angebotserstellung zur Verfügung steht. Die Vergleichbarkeit der Angebote hinsichtlich Zeit- und sonstigen Formvorgaben wird jedoch nicht beeinträchtigt, wenn ein form- und fristgerecht eingegangenes Angebot, welches zuvor nicht formgerecht per Mail übermittelt worden war, in der Wertung verbleibt. Der Bieter erlangt dadurch keinen Zeit- oder sonstigen Vorteil.

Das formwirksam über die Plattform eingereichte Angebot wurde auch nicht durch das formwidrig eingereichte Angebot „infiziert“. Zwar darf gemäß § 55 Abs. 1 VgV der öffentliche Auftraggeber vom Inhalt der Angebote erst nach Ablauf der entsprechenden Fristen Kenntnis nehmen. Die Vorschrift dient dem Schutz des Geheimwettbewerbs. Unstreitig kam es aber nicht zur Kenntnisnahme des Angebotsinhalts durch Dritte.

Die rein abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung des Geheimwettbewerbs genügte im Vorliegenden Fall daher nicht, da nach Ansicht des Senats die Realisierung der Gefahr nahezu ausgeschlossen war.

Praxistipp

Die Entscheidung fügt sich in die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach ein Ausschluss nicht allein aus rein formalen Gründen erfolgen soll, ein.

Argumentativ hat die Entscheidung allerdings eine Schwachstelle. Je nach Zugriff des öffentlichen Auftraggebers auf das Angebot kann er die Gefahr der Beeinflussung des Geheimwettbewerbs verändern und daher ggf. darüber entscheiden, ob er ein Angebot berücksichtigen will oder nicht. Es bleibt daher zweifelhaft und abzuwarten, ob andere Gerichte der Entscheidung folgen werden.

Quelle:

Autor: Menold Bezler Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB

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Beschluss
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