Aktuelle Urteile

Vorsicht bei der Präqualifikation

Was ist passiert?

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb europaweit Fahrzeugrückhaltesystem für einen bestimmten Fahrbahnabschnitt aus. Die Vergabeunterlagen enthielten direkt verlinkte Eignungsanforderungen. Unter anderem war die Vorlage von drei Referenzen über Leistungen aus den letzten fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sind, verlangt. Gleichzeitig enthielten die verlinkten Dokumente aber auch u.a. den Hinweis:

„Angaben sind immer vorzunehmen, soweit das Unternehmen nicht PQ-qualifiziert ist.“

Der Bestbieter legte seine Eignung ausschließlich mithilfe seiner Präqualifikation dar. Die dort hinterlegten drei Referenzen waren mit der ausgeschriebenen Leistung aufgrund des geringeren Umfangs allerdings nicht vergleichbar. Der Auftraggeber schloss den Bestbieter daraufhin aufgrund fehlender Eignung aus. Der Bieter wandte sich nach erfolgloser Rüge an die Vergabekammer.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer des Bundes gab dem Bieter Recht.

Durch seine Formulierung in den Vergabeunterlagen habe der öffentliche Auftraggeber für präqualifizierte Unternehmen festgelegt, dass diese ihre Eignung ausschließlich durch Vorlage ihrer Präqualifikation nachweisen können. Der betreffende Bieter habe sich daher auch auf die Vorlage seiner Präqualifikation beschränken können. Die Pflicht zur Vorlage vergleichbarer Referenzen habe für ihn nicht gegolten. Die Verneinung der Eignung des Bieters könne nicht auf eine vermeintliche Nichterfüllung einer Vorgabe gestützt werden, die der Auftraggeber für den Bieter nicht aufgestellt habe.

Praxishinweis

Die Entscheidung der Vergabekammer betrifft einen Sonderfall. Die Vergabeunterlagen enthielten spezifische Zusatzregelungen und hätten durchaus auch gegenteilig ausgelegt werden können. Präqualifizierte Unternehmen dürfen die Entscheidung daher keinesfalls als Freifahrtschein verstehen, sich künftig ausschließlich auf ihre Präqualifikation zu stützen. Auch weiterhin ist sorgfältig zu überprüfen, welche Eignungsanforderungen der öffentliche Auftraggeber aufstellt und inwieweit die in der Präqualifikation hinterlegten Informationen diese Anforderungen überhaupt inhaltlich abdecken. Bei geringsten Zweifeln sollten immer zusätzliche Nachweise eingereicht werden.

Autor

Menold Bezler Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB
Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt

Weitere Informationen


Datum: 06.04.2022
Gericht: VK Bund
Aktenzeichen: VK 2 – 26/22
Typ: Beschluss
Wissen

Diese Urteile könnten Sie auch interessieren

11.06.2025 | Urteil

Zur Kombination von Referenzleistungen

Referenz zu klein? Gericht kippt Zuschlag bei öffentlicher Vergabe – warum ein Einzelauftrag über 10.000 Stück entscheidend war und was Bieter jetzt beachten müssen.
Mehr erfahren
21.05.2025 | Urteil

Dokumentationsmangel nicht per se wettbewerbswidrig

Ein Dokumentationsmangel führt nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit eines Vergabeverfahrens. Der Mangel muss sich auf die Chancen des Bieters im Wettbewerb nachteilig ausgewirkt haben.
Mehr erfahren
22.04.2025 | Urteil

Zur wirksamen Aufhebung von Vergabeverfahren

Eignungskriterien fehlen, Ausschreibung aufgehoben – was nun? Alles zur aktuellen Entscheidung und rechtlichen Einordnung jetzt im Überblick.
Mehr erfahren
17.03.2025 | Urteil

Kein Vertrauenstatbestand bei fehlender Eignung

Fehler bei der Eignungsprüfung! Trotz Einladung zum Verfahren erfolgte der Ausschluss. Lernen Sie, wie Sie solche Vergabeprobleme vermeiden können!
Mehr erfahren
20.02.2025 | Urteil

Fehlerhafte Gestaltung der Fachloszuschnitte: Verstoß gegen Wettbewerbs- und Transparenzgrundsatz?

Ein fehlerhafter Fachloszuschnitt kann den Wettbewerbs- und Transparenzgrundsatz verletzen und zur Aufhebung eines Vergabeverfahrens führen. Erfahren Sie, wie sich Bieter schützen und welche Vorgaben öffentliche Auftraggeber beachten müssen.
Mehr erfahren
16.01.2025 | Urteil

Nachprüfungsantrag: Fristen und Zuschlagsverbot im Fokus

Nachprüfungsantrag verpasst? Ein OLG-Beschluss zeigt, wie wichtig Fristen im Vergaberecht sind. Lesen Sie jetzt, was Bieter beachten müssen, um den Zuschlag nicht zu verlieren.
Mehr erfahren
07.01.2025 | Urteil

Präsentationstermin nur mit Auftragsbezug

Die Vergabekammer Südbayern beschäftigt sich mit der Ausgestaltung von Präsentationsterminen
Mehr erfahren
18.11.2024 | Urteil

Wie weit darf man dem Leistungsversprechen des Bieters vertrauen?

Wie weit dürfen öffentliche Auftraggeber Bieter-Versprechen vertrauen? Der Fall zeigt, warum konkrete Prüfung der Leistungsfähigkeit entscheidend ist.
Mehr erfahren
16.10.2024 | Urteil

Vorauftrag mangelhaft ausgeführt: Voraussetzungen für einen Ausschluss?

Unternehmen können wegen mangelhafter Leistungserfüllung von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Erfahren Sie mehr über die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen.
Mehr erfahren
16.09.2024 | Urteil

Sind fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzufordern?

Bleiben Sie auch bei unternehmensbezogenen Unterlagen wachsam und vertrauen Sie nicht zu voreilig auf das Mittel der Nachforderung. Lesen Sie, wie sie Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
Zum Wissensbereich