Sachverhalt
Die Vergabestelle schrieb im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb den Bau von sechs Streifenbooten aus. Die Antragstellerin gab ein indikatives Erstangebot ab, das u. a. Angaben zum Frischwassertank und zur Anordnung des Fahrerstands enthielt. Zwar bestätigte sie in der Leistungsbeschreibung durch Ankreuzen („Ja“) die Erfüllung der Mindestanforderungen, reichte jedoch gleichzeitig einen Generalplan ein, der abweichende Angaben enthielt. Die Vergabestelle wertete das Angebot als widersprüchlich und schloss die Antragstellerin wegen Abweichung von den Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV aus.
Entscheidung
Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag statt. Der Ausschluss der Antragstellerin war rechtswidrig.
Ein indikatives Angebot könne zwar sowohl verbindliche als auch unverbindliche Angaben enthalten. Zwingende Anforderungen, die der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festlegt, seien jedoch auch bei indikativen Angeboten zwingend einzuhalten.
Die Kammer stellte klar, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung, ob ein Angebot von den Vergabeunterlagen abweicht, grundsätzlich der Ablauf der Angebotsfrist sei. Im Verhandlungsverfahren gelte dies regelmäßig für das letztverbindliche Angebot (final offer) – es sei denn, es handelt sich um zwingende Mindestanforderungen. Diese müssten bereits im indikativen Angebot erfüllt werden.
Im konkreten Fall war die Darstellung im Generalplan nach den Bewerbungsbedingungen ausdrücklich unverbindlich, sodass Abweichungen zwischen Leistungsbeschreibung und Generalplan keinen Widerspruch begründen konnten. Da die Antragstellerin die Mindestanforderungen in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich bejaht hatte, war ihr Angebot nicht auszuschließen.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung präzisiert die Bedeutung des indikativen Angebots im Verhandlungsverfahren. Auch wenn dieses regelmäßig der Vorbereitung von Verhandlungen dient, sind Mindestanforderungen (Ausschlusskriterien) stets verbindlich. Enthalten die Vergabeunterlagen den Hinweis, dass bestimmte Kriterien „nicht verhandelbar“ sind oder der Zuschlag auf Basis des Erstangebots erteilt werden kann, müssen diese zwingend beachtet werden.
Gleichzeitig betont die Kammer, dass die Unverbindlichkeit begleitender Unterlagen (z. B. Generalplan, Konzeptdarstellungen) zu berücksichtigen ist. Solche Unterlagen können den verbindlichen Angebotsinhalt nicht relativieren, sofern sie ausdrücklich als nicht maßgeblich gekennzeichnet sind.
Praxishinweis
Für Auftraggeber:
– Mindestanforderungen müssen klar und unmissverständlich formuliert sein.
– Wird der Zuschlag auf ein Erstangebot vorbehalten, müssen Bieter die zwingenden Anforderungen bereits im indikativen Angebot erfüllen.
Für Bieter:
– Auch bei indikativen Angeboten ist Vorsicht geboten: widersprüchliche Angaben in Begleitunterlagen können zu Missverständnissen führen.
– Wenn Unterlagen (z. B. Pläne oder Konzepte) als unverbindlich bezeichnet sind, sollte dies im Angebot eindeutig hervorgehoben werden, um Ausschlüsse zu vermeiden.
Weitere Informationen
Autor: Dr. Karsten Kayser
Datum: 25.02.2025
Gericht: VK Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen: 3 VK 14/24
Typ: Beschluss
