Aktuelle Urteile

Kein Nachforderungsermessen bei fehlerhafter Checkliste

Was ist passiert?

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb die Lieferung von Schutzwesten für Justizbedienstete im Rahmen eines offenen Verfahrens aus. Als Teil der Vergabeunterlagen stellte er den Bietern eine „Checkliste für die Vollständigkeit Ihrer Angebotsunterlagen“ zur Verfügung. In der Aufzählung der Checkliste fehlten einzelne Unterlagen, deren zwingende Einreichung sich nur aus den restlichen Vergabeunterlagen ergab. Die Nachforderung von Unterlagen wurde nicht ausgeschlossen.

Ein Bieter reichte die Unterlagen, die sich nur aus den Vergabeunterlagen – nicht aber aus der Checkliste ergaben – nicht ein.

Der öffentliche Auftraggeber schloss daraufhin das Angebot des Bieters u.a. wegen fehlender Unterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV aus, obwohl die Unterlagen gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 VgV nachforderungsfähig waren.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer Sachsen und das OLG Dresden beurteilten den Ausschluss des Bieters als vergaberechtswidrig.

Zwar stehe die Nachforderung gemäß § 56 Abs. 2 VgV im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Durch die unvollständige Checkliste habe sich das Nachforderungsermessen allerdings auf null reduziert. Schließlich habe der öffentliche Auftraggeber eine ausdrücklich so bezeichnete „Checkliste für die Vollständigkeit Ihrer Unterlagen“ verwendet. Mit einer derartigen Liste schaffe der Antragsgegner einen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Liste auch das einhalte, was sie verspreche, nämlich Vollständigkeit.

Der Auftraggeber hätte daher mindestens die auf der Checkliste nicht genannten und daher bei dem Angebot des ausgeschlossenen Bieters fehlenden Unterlagen nachfordern müssen.

Praxistipp

Bietern wird angeraten, sich nicht auf die Checklisten der Auftraggeber verlassen, sondern selbst die Vollständigkeit der Angebotsunterlagen zu überprüfen.

Sofern der Auftraggeber abweichend von dem vorliegenden Sachverhalt eine Checkliste nicht ausdrücklich als „Vollständigkeit“ der Unterlagen bezeichnet, liegt die Verantwortung für die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen in der Sphäre des jeweiligen Bieters. Eine Checkliste ist daher nur als zusätzlicher Service zu verstehen.

Quelle:

Weitere Informationen


Datum: 21.02.2020
Gericht: OLG Dresden
Aktenzeichen: Verg 7/19
Typ: Beschluss
Wissen

Diese Urteile könnten Sie auch interessieren

18.11.2024 | Urteil

Wie weit darf man dem Leistungsversprechen des Bieters vertrauen?

Wie weit dürfen öffentliche Auftraggeber Bieter-Versprechen vertrauen? Der Fall zeigt, warum konkrete Prüfung der Leistungsfähigkeit entscheidend ist.
Mehr erfahren
16.10.2024 | Urteil

Vorauftrag mangelhaft ausgeführt: Voraussetzungen für einen Ausschluss?

Unternehmen können wegen mangelhafter Leistungserfüllung von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Erfahren Sie mehr über die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen.
Mehr erfahren
16.09.2024 | Urteil

Sind fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzufordern?

Bleiben Sie auch bei unternehmensbezogenen Unterlagen wachsam und vertrauen Sie nicht zu voreilig auf das Mittel der Nachforderung. Lesen Sie, wie sie Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Auch rügen will gelernt sein – Was ist zu beachten?

Fax-Rügen: So sichern Sie Ihren Erfolg im Vergabeverfahren. Erfahren Sie, warum Unterschriften und Zeitpunkte entscheidend sind. Frühzeitig handeln!
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Bieter gewinnen: Gericht lockert überzogene Anforderungen im Museumsprojekt

BayObLG kippt unfaire Eignungskriterien bei Museumsprojekt – Entdecken Sie, wie das Urteil zugunsten der Bieter fiel und was das für zukünftige Ausschreibungen bedeutet.
Mehr erfahren
19.06.2024 | Urteil

Andere Eintragung des Umsatzsteuersatzes – Änderung der Vergabeunterlagen?

Bleiben Sie wettbewerbsfähig! Lernen Sie, wie Sie den Umsatzsteuersatz in Ihren Angeboten korrekt anpassen und Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.05.2024 | Urteil

Eignungsprüfung natürlich auch bei präqualifizierten Unternehmen

Steigern Sie Ihre Erfolgsquote bei öffentlichen Ausschreibungen: Wichtige Einsichten in die Anforderungen an Referenzen und die Bedeutung der Präqualifikation.
Mehr erfahren
17.04.2024 | Urteil

Anfragen an abgefragte Referenzen sind zu wahren

Das OLG Frankfurt beschäftigte sich mit der Frage, welche Referenzangaben der öffentliche Auftraggeber hinsichtlich der Leistungszeit und des Leistungsortes verlangen kann.
Mehr erfahren
21.03.2024 | Urteil

Formblatt ausfüllen nicht vergessen!

Die VK Bund beschäftigte sich (erneut) mit dem Thema „nicht korrekt ausgefülltes Formblatt“. Dieses Mal mit Formblatt 223 (Aufgliederung von Einheitspreisen), welches erst auf Nachfrage der Vergabeste
Mehr erfahren
18.02.2024 | Urteil

Preiswertung darf nicht verzerren!

Analyse der Vergabekammer-Entscheidung zu Preiswertungsmethoden: Rechtliche Einsichten und Auswirkungen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis
Mehr erfahren
Zum Wissensbereich