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Was wird denn nun eigentlich wie bewertet?

Die Bewertung von Angeboten im Vergabeverfahren sowie – dem vorausgehend – das Aufstellen und Bekanntmachen korrekter Bewertungs- bzw. Zuschlagskriterien scheint häufig eine Herausforderung für öffentliche Auftraggeber bzw.
den von Ihnen Beauftragten zu sein.

I. „Das haben wir doch schon immer so gemacht!“

Immer wieder liest man in Vergabeunterlagen (hier am Beispiel der Beschaffung von Feuerwehreinsatzfahrzeugen) Bewertungs- bzw. Zuschlagskriterien wie etwa

Beispiel 1

  • Preis (Gewichtung 60%)
  • Qualität (Gewichtung 40%)
  • 1. Technische Unterlagen (Gewichtung 5%)
  • 2. Fahrer- und Mannschaftsraum (Gewichtung 40%)
  • 3. Aufbau (Gewichtung 25%)
  • 4. Löschtechnik (Gewichtung 20%)
  • 5. Wartung (Gewichtung 10%)

oder
Beispiel 2

  • Preis (Gewichtung 40 %)
  • Einsatztaktische und technische Funktionalität (Gewichtung 20 %)
  • Konstruktion (Gewichtung 15 %)
  • Qualität (Gewichtung 15 %)
  • 1. Technische Fahrzeugausstattung
  • 2. Kabinengröße und Kabinenbreite Freiraum zwischen den Sitzen
  • 3. Aufbau (Material, Lagerung und Entnahme der Geräte)
  • Service/ Kundendienstnähe (Gewichtung 10 %).

Mehr bzw. weitergehende Informationen zum konkreten Bewertungsvorgehen sind den Vergabeunterlagen oft nicht zu entnehmen.

Zudem kann häufig festgestellt werden, dass in der Leistungsbeschreibung dann auch noch abweichende Kriterien gegenüber denen, die in einer sog. Aufforderung zum Angebot – häufig durch Ankreuzen in einem Formblatt – angegeben sind.
Die Bewertung etwa der Qualität der Leistung erfolgt dann meist durch die Mitarbeiter des Auftraggebers im Rahmen einer Vorführung und Besichtigung – ohne konkretes und an die Bieter kommuniziertes Bewertungsschema bzw. –vorgehen („Prüfkatalog“). Hinsichtlich Kundendienst, Service o. Ä. wird vielfach auf Erfahrungen abgestellt.

Dieses Vorgehen verwundert und kann sich eigentlich nur erklären lassen mit der „Vorgehensmethode“ >Das haben wir doch schon immer so gemacht!<

Eigentlich müsste es jedoch heißen: „Das haben doch wir doch schon immer falsch gemacht!“

II. Zuschlagskriterien und Gewichtung müssen transparent sein

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf stellte erst jüngst (Beschluss v. 19.06.2013, Az.: Verg 8/13) in einem Fall (s. o. Bsp. 1) klar, dass der öffentliche Auftraggeber den Bietern bereits mit Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen, spätestens jedoch rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist, die maßgeblichen Zuschlagskriterien sowie deren Gewichtung bekannt geben müsse. Überdies betont der erkennende Senat, dass aus Gründen der Transparenz des Verfahrens und der Chancengleichheit der Bieter “alle Zuschlagskriterien” zu benennen seien, das heißt auch Unterkriterien, Gewichtungsregeln oder Bewertungsmatrizen, sofern diese vom Auftraggeber aufgestellt worden seien. Insbesondere beim Kriterium Qualität sei es erforderlich, dass der Bieter erkennen könne, auf welche Qualitätsmaßstäbe es dem Auftraggeber ankomme. Das OLG sah es in diesem Fall als nicht ausreichend an, dass den Bietern schlicht die Unter-Unterkriterien nebst Gewichtung mitgeteilt worden seien.

Gleichwohl musste sich die Vergabekammer (VK) Nordbayern in ihrer Entscheidung vom 19.02.2014 (Az.: 21.VK-3194-58/13) ebenfalls mit dieser Thematik auseinandersetzen (s. o. Bsp. 2).
Sie stellte fest, dass die die Antragstellerin durch die Fassung der Vergabeunterlagen in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sei. Die Vergabeunterlagen werden den Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren nicht gerecht, da sie die Zuschlagskriterien nicht eindeutig beschrieben haben (§ 2 EG Abs. 1, § 9 EG Abs. 1, lit. b) VOL/A, § 97 Abs. 1 GWB)

1. Keine eindeutige Beschreibung der Zuschlagskriterien

Zunächst fehle es an einer eindeutigen Beschreibung der Zuschlagskriterien in den Vergabeunterlagen, da diejenigen aus der Aufforderung zum Angebot abweichen von denjenigen aus der Leistungsbeschreibung. Wesentliche Ausprägung des Transparenzgebotes sei die Pflicht der Auftraggeberin, klare und eindeutige Angaben zu allen Wertungs- und Zuschlagskriterien zu machen. Ein öffentlicher Auftraggeber könne eine rechtmäßige Zuschlagsentscheidung nur dann treffen, wenn die maßgeblichen Anforderungen von allen beteiligten fachkundigen Bietern im gleichen Sinne verstanden und ihren Angeboten zugrunde gelegt werden können.
Vorliegend habe die Auftraggeberin die Zuschlagskriterien nicht eindeutig bekannt gemacht, da sie in den Vergabeunterlagen unterschiedliche Wertungskriterien angegeben hat. Es fehlt damit an einer klaren und eindeutigen Angabe der Wertungskriterien in den Vergabeunterlagen.

2. Keine „Heilung“ durch Auslegung

Auch seien die unterschiedlichen Angaben einer einheitlichen Auslegung unter Heranziehung aller Unterlagen der Ausschreibung nicht zugänglich. Bei der Auslegung von Vergabeunterlagen komme es gem. § 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den objektiven Empfängerhorizont eines verständigen und mit Leistungen der ausgeschriebenen Art vertrauten Bieters an.

Vorliegend sei eine abweichende Deutung im Sinne einer einheitlichen Auslegung der unterschiedlichen Kriterien nicht denkbar. Insbesondere scheide eine bloße Konkretisierung der Kriterien aus. Die Angaben in der Leistungsbeschreibung decken sich nicht mit Angaben in der Aufforderung zum Angebot. Gemeinsam waren lediglich die Kriterien Preis und Qualität. Für die Bieter sei aus der Zusammenschau der Vergabeunterlagen somit nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen, welche Kriterien die Auftraggeberin bei der Wertung der Angebote anzuwenden beabsichtigte. Mangels Vorgabe eindeutiger und einheitlicher Zuschlagskriterien durch die Auftraggeberin seien die eingereichten Angebote daher schon nicht vergleichbar.

3. Keine nachträgliche Festlegung eindeutiger Zuschlagskriterien

Zuletzt stellte die VK auch fest, dass der Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht durch eine nachträgliche Festlegung eindeutiger Zuschlagskriterien im Rahmen der Wertungsentscheidung behoben werden könne. Sind die Zuschlagskriterien und deren Unterkriterien einmal festgelegt, können und müssen die Bieter sich hierauf einstellen können, um ihr Angebot optimal auf die Bedingungen des Auftraggebers ausrichten zu können. Die öffentlichen Aufgabenträger müssen die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung so rechtzeitig angeben, dass diese den Bietern bei Erstellung ihrer Angebote bekannt sind.

Vorliegend sei eine vergaberechtskonforme Wertung nach bereits erfolgter Angebotseröffnung nicht möglich, weil die Angebote ohne eindeutige Zuschlagskriterien nicht wertbar seien. Die Vorgabe unterschiedlicher sich widersprechender Zuschlagskriterien machen eine diskriminierungsfreie und transparente Wertung unmöglich. Dieser bereits in der Anlage des Vergabeverfahrens aufgetretene Fehler der Auftraggeberin, dass sie widersprüchliche Angaben hinsichtlich der Wertungskriterien bekannt gegeben hat, könne nur durch eine neue Ausschreibung korrigiert werden.

Der Verstoß gegen § 97 Abs. 1 i. V. m. §§ 2 EG Abs. 1 und 9 EG Abs. 1 VOL/A verletze die Antragstellerin daher in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB. Das vergaberechtliche Gebot der Transparenz in seiner Ausprägung als Gebot der Klarheit der Vergabeunterlagen sei auch bieterschützend.

III. Fazit

Es zeigt sich mithin auch in den beiden genannten Entscheidungen des OLG Düsseldorfs und der VK Nordbayern, dass die Erstellung von Vergabeunterlagen – insbesondere bei komplexen Beschaffungsgegenständen – technisch-fachlich wie auch juristisch durchaus anspruchsvoll ist. Diesem Umstand sollte bei der Erstellung der Vergabeunterlagen wie auch der Durchführung des Vergabeverfahrens insgesamt Rechnung getragen werden.

Zumal nach Ansicht der VK Nordbayern die offensichtliche Intransparenz oder ein Diskriminierungspotential der Vergabeunterlagen einen so erheblichen Vergaberechtsverstoß darstellen, dass ein solcher bereits ohne Rüge im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens beachtlich sei.

Zudem ist die Entscheidung der VK ein weiteres Beispiel dafür, dass öffentliche Auftraggeber sich keinen Gefallen damit tun, aus ihren Wertungsmodalitäten ein streng behütetes Geheimnis zu machen. Dies ist sowohl – wie nunmehr mehrfach von Nachprüfungsinstanzen festgestellt – vergaberechtlich unzulässig als auch technisch-fachlich wie wirtschaftlich wenig sinnvoll. Denn Angebote treffen in der Regel die Bedürfnisse des Auftraggebers viel eher, wenn die Bieter erkennen können, worauf es dem Auftraggeber im Rahmen der Wertung ankommt. Dies bedingt die Bekanntgabe sämtlicher für die Zuschlagswertung maßgeblichen Umstände.

Weitere Informationen


Datum: 17.06.2019
Typ: Urteil
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