Zankapfel Fachlose
Damit auch kleine Unternehmen zum Zuge kommen, müssen Bauherren Leistungen in Teillosen ausschreiben.
Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge besonders zu berücksichtigen. Damit auch kleine Unternehmer zum Zuge kommen, müssen Bauherren Leistungen in Teillosen ausschreiben – außer wirtschaftliche oder technische Gründe sprechen dagegen. Das kann für Vergabestellen ein schwieriges Unterfangen sein, wie die Errichtung einer Lärmschutzwand zeigt.
Die Autobahndirektion Südbayern hat als Vergabestelle (VSt) die „Erneuerung der Fahrbahndecke und temporäre Seitenstreifenfreigabe“ auf der Autobahn A9 EU-weit ausgeschrieben. Teil dieser Leistung waren neben Arbeiten im Ober-, Erd- und Brückenbau auch die Errichtung von Lärmschutzwänden.
Die Vergabestelle entschied sich, die Arbeiten in einem Paket auszuschreiben, also nicht in Fachlose aufzuteilen. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) erlaubt solch eine einheitliche Vergabe eines Auftrags „wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern“ (Paragraf 97 Absatz 3 GWB). Darauf berief sich auch die Vergabestelle.
Vergabestelle argumentiert gegen die Bildung von Fachlosen
Gegen eine Fachlosbildung, so ihre Begründung, spreche, dass der für die Arbeiten zur Verfügung stehende Zeitraum knapp bemessen sei. Die Anforderungen an Projektvorbereitung und -steuerung seien extrem anspruchsvoll. Insbesondere gebe es technische Schnittstellen der anderen Fachgewerke und der Lärmschutzwand. So seien technische und zeitliche Abstimmungen mit Erdbauer, Brückenbauer und Straßenbauer erforderlich.
Ein zusätzlicher Vertragspartner für die Errichtung der Lärmschutzwände mache die Koordinierung so schwierig, dass deswegen eine Einhaltung der Bauzeit gefährdet sei.
Mit einer Beschwerde gegen die Gesamtvergabe hat sich die Eudur-Bau Unternehmensgruppe an die Vergabekammer (VK) Südbayern gewandt. Das Unternehmen hat sich auf die Erstellung von Lärmschutzwänden spezialisiert und verlangte, die damit verbundenen Arbeiten in einem Fachlos „Lärmschutzwandarbeiten“ auszuschreiben. Eudur-Bau begründete dies damit, dass sich zum einen für Lärmschutzwandarbeiten ein sachlich eigenständiger und abzugrenzender Angebotsmarkt entwickelt habe. Zum anderen lägen keine technischen oder wirtschaftlichen Gründe vor, welche die Gesamtvergabe hier erforderlich machten.
Die angerufene Vergabekammer hielt die Gesamtvergabe in ihrer Entscheidung im Januar jedoch für eine Ermessensentscheidung der Vergabestelle. Diese habe ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt, sodass die Gesamtvergabe nicht zu beanstanden sei. Für die einheitliche Vergabe spreche die extreme Komplexität der Gesamtsituation bei sehr engem Zeitrahmen und rollendem Verkehr. Die Eudur-Bau wollte diese Entscheidung nicht hinnehmen und zog vor das Oberlandesgericht München. Der Vergabesenat gab ihr Recht und hob den Beschluss der Vergabekammer auf.
Oberlandesgericht: Arbeiten nicht untrennbar mit anderen verflochten
Den Richtern zufolge muss die Frage, ob Fachlose zu bilden sind, für jedes in Betracht kommende Fachgewerk getrennt beantwortet werden. Das bedeute einerseits, dass die „wirtschaftlichen oder technischen Gründe“, welche eine Gesamtvergabe verlange, sich auf das jeweilige Fachgewerk beziehen müssten, das für eine getrennte Losvergabe in Betracht komme. Globale, also das gesamte Vorhaben betreffende Überlegungen könnten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie auch und gerade das jeweilige Fachgewerk erfassten.
Zudem seien die Arbeiten in Zusammenhang mit der Errichtung einer Lärmschutzwand geeignet, ein Fachlos zu bilden, weil sie ausreichend abgrenzbar seien. Es habe sich hierfür ein Markt gebildet, auf dem Anbieter solche Arbeiten als eigenständigen Auftrag übernehmen.
Gleichzeitig seien diese Arbeiten nicht untrennbar mit anderen verflochten. Die Vergabestelle habe nicht ausreichend dargelegt, dass wirtschaftliche Gründe im Sinne des GWB gegen die Bildung eines Fachloses für die Lärmschutzwandarbeiten sprechen. Sie muss nun das Vergabeverfahren aufheben und unter Aufteilung der Lose neu ausschreiben.
„Von dem Urteil werden auch andere kleine Mittelständler profitieren“, sagt Christian Grochtmann, Geschäftsführer der Eudur-Bau. „Es kann nicht sein, dass sich immer nur die großen Konzerne die Pfründe sichern und die kleinen Mittelständler leer ausgehen.“
Quelle: Staatsanzeiger, Ausgabe 21/2015