Grundsatz der Losaufteilung
Die VK Bund stellte grundsätzlich fest, dass Marktverhältnisse darüber entscheiden, ob ein eigenes Fachlos gebildet werden muss.
Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb im offenen Verfahren neben den Rohbauarbeiten unter anderem die Lieferung und den Einbau von 99 sogenannte Sanitärfertigzellen beziehungsweise Fertignasszellen in einem Unterkunftsgebäude europaweit aus. Dabei handelt es sich um fertige Sanitärräume oder (Dusch-)Bäder, die entweder als kompletter Raum in den Rohbau eingesetzt werden oder in elementierter Bauweise verbaut werden, das heißt die Wand-, Decken- und Bodenelemente werden im Rohbau zusammengesetzt. Die Fertignasszellen waren im Leistungsverzeichnis in einem eigenen Titel beschrieben, aber in keinem eigenständigen Los aufgeteilt.
Ein Bauunternehmer rügte, dass eine losweise Vergabe nicht zugelassen sei. Dies schränke den Wettbewerb im Bereich der Fertignasszellen ein, weil die Hersteller von Fertignasszellen auf den Rohbauer angewiesen seien. Die Vergabestelle half der Rüge nicht ab. Der Bauunternehmer beantragte daraufhin die Nachprüfung bei der Vergabekammer Bund.
Wann entsteht ein Fachlos?
Sie stellte nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB fest, dass Leistungen grundsätzlich in der Menge aufgeteilt und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlos) zu vergeben sind. Der Einbau und die zuvor erstellten Fertignasszellen in den Rohbau, stellen nach Ansicht des Bundeskartellamtes ein solches Fachlos dar. Für die Feststellung, ob die betreffenden Leistungen ein Fachlos bilden, ist vor allem maßgeblich, ob sich für die fraglichen Leistungen ein eigener Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen herausgebildet hat. Die Beurteilung hat dabei nicht statisch zu erfolgen, sondern muss die aktuellen Marktverhältnisse in den Blick nehmen.
Danach existiert derzeit ein eigenständiger Markt für die Herstellung, Lieferung und den Einbau von Fertignasszellen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass sich bestimmte Anbieter, wie im Streitfall der rügende Bauunternehmer und andere Unternehmen, auf die Herstellung von Fertignasszellen spezialisiert haben und deren Einbau in Gebäude beziehungsweise die entsprechenden Rohbauarbeiten typischerweise auch selbst vornehmen. Dementsprechend werden solche Leistungen, die der rügende Bauunternehmer auch durch Vorlage mehrerer Referenzausschreibungen hinreichend dokumentieren konnte, auch von anderen Auftraggebern häufig als gesondertes Los ausgeschrieben.
Der Nachprüfungsantrag blieb letztlich aber erfolglos, weil ausnahmsweise eine Gesamtvergabe gemäß § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB gerechtfertigt war. Nach Überzeugung der Vergabekammer Bund hat sich der Auftraggeber zulässigerweise auf den technischen Zusammenhang zwischen dem Einbau der Fertignasszellen im jeweiligen Erdgeschoss und der Dichtigkeit der Bodenplatte beziehungsweise den sie durchdringenden Grundleitungen des Rohbauers gestützt. Danach konnte im Streitfall wegen technischer Erwägungen zu den Grundleitungsanschlüssen und den Duschen der Fertignasszellen ausnahmsweise eine Gesamtvergabe mit den Rohbauarbeiten erfolgen.
Quelle: Beitrag von Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg, Bayerische Staatszeitung, Ausgabe 25/2017
Autor: Holger Schröder