Bis wann muss ein Angebot eingereicht werden, wenn das Ende der Angebotsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder anderen Feiertag fällt?
Vergabeverfahren können sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden – sei es im Ablauf, im Gegenstand der Vergabe oder im Auftragswert. Eines jedoch haben alle öffentlichen Ausschreibungen gemeinsam: Angebote, die zu spät eingereicht werden, schließt der Auftraggeber aus dem Vergabeverfahren aus. Daher müssen Bieter auf die Einhaltung der Angebotsfrist achten. Diese legt der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung beziehungsweise in den Vergabeunterlagen fest. Was gilt, wenn das Ende der Angebotsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder anderen Feiertag fällt?
Beispiel zur Angebotsfrist
Nehmen wir an, ein Unternehmen möchte sich an einer europaweiten Ausschreibung städtischer Schulen über die Lieferung von Computern beteiligen. Die Angebotsfrist endet am 14. September, einem Sonntag. Der Mitarbeiter, der für die Einreichung des Angebots zuständig ist, wollte das Angebot eigentlich am Freitag, dem 12. September, abgeben. Aufgrund eines familiären Notfalls hat er dies versäumt. Als er am Montag, dem 15. September, ins Büro kommt, wird ihm sein Versäumnis bewusst. Er reicht das Angebot im Laufe des Montags ein. Besteht die Chance, dass der Auftraggeber das Angebot nicht wegen Fristablaufs aus dem Vergabeverfahren ausschließt?
Europäische Verordnung
Das Angebot gilt dann als rechtzeitig abgegeben, wenn man Artikel 3 der europäischen Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 heranzieht. Danach endet eine Frist, deren letzter Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, erst mit Ablauf des folgenden Arbeitstags.
Die meisten nationalen Vergabeverordnungen verweisen für die Berechnung von Fristen – also auch von Angebotsfristen – direkt auf die genannte europäische Verordnung (siehe etwa § 82 VgV, § 65 SektVO und § 36 KonzVgV). Zudem wird die Meinung vertreten, dass die Fristenberechnung nach der europäischen Verordnung ohnehin auf alle europaweiten Vergabeverfahren anwendbar ist. Dies gilt selbst dann, wenn ein direkter Verweis auf die europäische Verordnung nicht existiert.
Im konkreten Beispiel bedeutet dies, dass Angebote nicht nur bis zum Sonntag, den 14. September, eingereicht werden dürfen. Stattdessen läuft die Angebotsfrist erst am nächsten Arbeitstag, nämlich am 15. September um 24 Uhr ab. Die Chancen stehen also gut, dass der Auftraggeber das Angebot nicht wegen Fristablaufs aus dem Vergabeverfahren ausschließt.
§ 193 BGB
Was gilt aber für Vergabeverfahren – insbesondere im Unterschwellenbereich – in denen die europäische Verordnung keine Anwendung findet?
Hier hilft ein Blick ins Bürgerliche Gesetzbuch weiter. § 193 BGB enthält eine mit Artikel 3 der europäischen Verordnung vergleichbare Regelung zur Berechnung des Fristendes. Auch danach endet eine Frist, deren letzter Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, erst mit Ablauf des folgenden Werktags. Somit findet in diesen Fällen auch im Unterschwellenbereich eine Fristverlängerung statt. § 54 UVgO verweist sogar direkt auf § 193 BGB.
Maßnahmen des Bieters
Welche Maßnahmen kann der Bieter im Beispiel ergreifen, wenn der Auftraggeber sein Angebot dennoch wegen Fristablaufs aus dem Vergabeverfahren ausschließt?
Der Bieter kann seinen Angebotsausschluss beim Auftraggeber rügen. Hilft der Auftraggeber der Rüge nicht ab, kann das Unternehmen einen Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer stellen. Die Vergabekammer wird dem Unternehmen voraussichtlich Recht geben, sodass sein Angebot weiterhin an dem Vergabeverfahren teilnehmen darf. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Vergabekammer eine Fristverlängerung im Einzelfall verneint.
Fazit
Fällt das Ende der Angebotsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder anderen Feiertag, gilt Folgendes: Angebote dürfen nach überwiegender Auffassung noch bis zum Ende des nächsten Arbeitstags eingereicht werden. Um keine unnötigen Risiken einzugehen, sollten Bieter ihre Angebote allerdings innerhalb der vom jeweiligen Auftraggeber ursprünglich benannten Angebotsfrist abgeben. Sie sollten nur ausnahmsweise eine Angebotsabgabe am Tag nach einem Samstag, Sonntag oder Feiertag in Betracht ziehen.

Ute Klemm ist Gründerin der innovativen E-Learning-Plattform VERGABECAMP. Diese Plattform hat sich auf Online-Selbstlernkurse im Vergaberecht spezialisiert und richtet sich an Bieter, Auftraggeber und Juristen. Zuvor war sie acht Jahre lang als Rechtsanwältin im Vergaberecht in einer der größten deutschen Sozietäten (Heuking Kühn Lüer Wojtek) tätig. Dort begleitete sie komplexe Vergabeverfahren, unterstütze in Nachprüfungsverfahren und beriet Auftraggeber und Bieter in sämtlichen Fragen des öffentlichen Auftragswesens. Sie ist seit vielen Jahren als Referentin und Autorin aktiv. In The Legal 500 wurde sie für ihr “umfangreiches Wissen im Bereich der öffentlichen Vergabe” hervorgehoben. Homepage: www.vergabecamp.de/