Fachbeitrag

Verhandeln erlaubt

Die Vergabeart des Verhandlungsverfahrens mit und ohne Teilnahmewettbewerb ist für öffentliche Auftragsvergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte vorgesehen. Das Verhandlungsverfahren ist bei europaweiten Ausschreibungen nicht der Regelfall. Vorrangig sind das offene sowie das nicht offene Verfahren. Beim Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren. Zuerst findet ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb statt. Anschließend wird festgestellt, welche Unternehmen unter den Teilnehmern tatsächlich geeignet sind. Diese werden zur Angebotsabgabe aufgefordert. Mit Einreichung der Angebote startet die Verhandlungsphase, die mehrere Runden andauern kann.

Die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb

Das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb steht dem öffentlichen Auftraggeber (nach § 14 Abs. 3 Nrn. 1 – 5 VgV) nur zur Verfügung, wenn die in der Verordnung genannten Voraussetzungen vorliegen. Genutzt werden kann es beispielsweise:

  1. bei Leistungen, die Anpassungen bereits vorhandener Lösungen
  2. bei Leistungen, die konzeptionelle und innovative Lösungen beinhalten
  3. wenn der Auftrag nicht ohne vorherigen Verhandlung vergeben werden kann
  4. die Leistung nicht genau beschrieben werden kann
  5. bei Scheitern einer vorangegangenen Ausschreibung aufgrund nicht ordnungsgemäßer oder unannehmbarer Angebote

Liegen dieser Voraussetzungen nicht vor, muss der Auftraggeber für diese Ausschreibung entweder das offene oder nichtoffene Verfahren wählen.

Der Ablauf des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb

Teilnahmeanträge

Bei einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb fordert der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge beträgt 30 Kalendertage. Diese Frist kann nur bei hinreichend begründeter Dringlichkeit auf 15 Kalendertage verkürzt werden. Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die interessierten Unternehmen die vom Auftraggeber geforderten Unterlagen zur Prüfung ihrer Eignung.

Verbindliche und unverbindliche (indikative) Erstangebote

Nur diejenigen Unternehmen, die vom öffentlichen Auftraggeber nach Prüfung der übermittelten Informationen dazu aufgefordert werden, können dann Erstangebote einreichen.

Der öffentliche Auftraggeber kann die Angebotsfrist anschließend mit den Bewerbern im gegenseitigen Einvernehmen festlegen. Für jeden Bewerber gilt jedoch dieselbe Frist für die Einreichung der Angebote. Sollte keine einvernehmliche Festlegung der Angebotsfrist möglich sein, beträgt die zu setzende Frist mindestens 10 Kalendertage.

Nach Abgabe der Angebote verhandelt der öffentliche Auftraggeber mit den Bietern über die von ihnen eingereichten verbindlichen oder unverbindlichen (indikativen) Erstangebote. Ab der zweiten Verhandlungsrunde können dann Folgeangebote eingereicht werden. Die Verhandlungsrunde endet mit dem sogenannten „best and final offer“ (endgültige Angebote), die nach dem letzten Aufruf („last call“) eingereicht werden. Über die Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien darf jedoch nicht verhandelt werden.

„Last call“ und „best and final offer“ – endgültige Angebote

Wenn der öffentliche Auftraggeber die Verhandlungen mit einem Zuschlag abschließen möchte, muss er alle noch beteiligten Bieter darüber unterrichten. Diese erhalten eine einheitliche Frist für die Einreichung der überarbeiteten Angebote.

Der öffentliche Auftraggeber kann den Zuschlag aber auch auf ein Erstangebot erteilen, über das noch nicht verhandelt wurde. Dies muss er jedoch bereits in der Auftragsbekanntmachung festlegen. Ist dies der Fall, dürfen keine Verhandlungen stattfinden.

Der öffentliche Auftraggeber hat jedoch auch die Möglichkeit, die Verhandlungen in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abzuwickeln. Auch das muss bereits in der Bekanntmachung veröffentlicht worden sein. So verringert er die Anzahl der Angebote anhand der bekanntgegebenen Zuschlagskriterien. In der Schlussphase muss in diesem Fall aber sichergestellt sein, dass genügend Angebote für einen Wettbewerb noch im Rennen sind.

Fazit

Das Verhandlungsverfahren hat den Vorteil einer flexiblen Gestaltung der zu vergebenden Leistung. Auf der anderen Seite bestehen Risiken, die sich daraus ergeben, dass die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung im Verlauf des gesamten Verhandlungsverfahren in allen aufeinanderfolgenden Phasen sichergestellt ist.

Autor

Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs-, Vergabe- und EU-Beihilfenrecht. Jetzt ist Michael Pilarski als Volljurist in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement tätig. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen bei, ist zugelassener Rechtsanwalt, übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht und ist Autor verschiedener Veröffentlichungen. Homepage: http://rechtsanwalt-pilarski.de/

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