Aktuelle Urteile

Überschreiten der Entscheidungsfrist führt nicht zwingend zu Ablehnung des Nachprüfungsantrags

Was ist passiert?

Die Beteiligten stritten sich um die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses über die Anmietung von Bordrechnern und Fahrscheindruckern, der nach Ansicht der Antragstellerin europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen. Die Vergabekammer erklärte den Vertrag für unwirksam. Sie überschritt dabei jedoch die fünfwöchige Entscheidungsfrist des § 167 Abs. 1 S. 1 GWB, ohne diese zu verlängern. Gegen die Entscheidung legte der Antragsgegner sofortige Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht wollte die Entscheidung ohne sachliche Prüfung aufheben, da die Vergabekammer nicht innerhalb der Frist des § 167 Abs. 1 S. 1 GWB entschieden habe und daher automatisch die Fiktion einer ablehnenden Entscheidung gemäß 172 Abs. 2 GWB gelte. Folglich habe die Vergabekammer in unzulässiger Weise zweimal über denselben Streitgegenstand entschieden. Das Beschwerdegericht legte die Frage aufgrund gegenteiliger Auffassungen anderer Oberlandesgerichte gem. § 179 Abs. 2 GWB dem BGH vor.

Die Entscheidung

Der BGH kam er zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift des § 172 Abs. 2 GWB keine absolute zeitliche Grenze für eine Entscheidung der Vergabekammer aufstelle. Vielmehr ergebe sich aus der Gesetzesbegründung, dass § 172 Abs. 2 GWB den Beteiligten ein Mittel zur Verfahrensbeschleunigung an die Hand geben wollte, das diese nutzen können aber nicht müssen. Eine andere Auslegung berge zudem erhebliche Risiken für den Antragsteller, da er Gefahr laufe, dass die fiktiv ablehnende Entscheidung bestandskräftig werde und dies obwohl das Gesetz keinerlei Rechtsmittelbelehrungen für diesen Fall vorsehe. Der Nachprüfungsantrag gelte daher mit Ablauf der Frist des § 167 Abs. 1 GWB nur dann als abgelehnt, wenn der Antragsteller innerhalb der Notfrist des § 172 Abs. 1 GWB sofortige Beschwerde einlege. Dann gehe die Entscheidungsbefugnis auf das Beschwerdegericht über und der Antrag gelte fiktiv als abgelehnt durch die Vergabekammer.

Praxishinweis

Der BGH hat die Risiken für Antragsteller eines Nachprüfungsantrags im Zusammenhang mit dem versehentlichen Ablauf der Entscheidungsfrist entgegen der bisherigen Auffassung einiger Oberlandesgerichte deutlich reduziert. Während vorher bei Unachtsamkeit die Gefahr des Verlusts der Rechtsschutzmöglichkeiten bestand, ist nun weiterhin eine Entscheidung durch die Vergabekammer möglich.

Weitere Informationen


Datum: 14.07.2020
Gericht: BGH
Aktenzeichen: XII ZB 135/19
Typ: Beschluss
Wissen

Diese Urteile könnten Sie auch interessieren

16.10.2024 | Urteil

Vorauftrag mangelhaft ausgeführt: Voraussetzungen für einen Ausschluss?

Unternehmen können wegen mangelhafter Leistungserfüllung von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Erfahren Sie mehr über die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen.
Mehr erfahren
16.09.2024 | Urteil

Sind fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzufordern?

Bleiben Sie auch bei unternehmensbezogenen Unterlagen wachsam und vertrauen Sie nicht zu voreilig auf das Mittel der Nachforderung. Lesen Sie, wie sie Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Auch rügen will gelernt sein – Was ist zu beachten?

Fax-Rügen: So sichern Sie Ihren Erfolg im Vergabeverfahren. Erfahren Sie, warum Unterschriften und Zeitpunkte entscheidend sind. Frühzeitig handeln!
Mehr erfahren
21.08.2024 | Urteil

Bieter gewinnen: Gericht lockert überzogene Anforderungen im Museumsprojekt

BayObLG kippt unfaire Eignungskriterien bei Museumsprojekt – Entdecken Sie, wie das Urteil zugunsten der Bieter fiel und was das für zukünftige Ausschreibungen bedeutet.
Mehr erfahren
19.06.2024 | Urteil

Andere Eintragung des Umsatzsteuersatzes – Änderung der Vergabeunterlagen?

Bleiben Sie wettbewerbsfähig! Lernen Sie, wie Sie den Umsatzsteuersatz in Ihren Angeboten korrekt anpassen und Vergabeausschlüsse vermeiden.
Mehr erfahren
21.05.2024 | Urteil

Eignungsprüfung natürlich auch bei präqualifizierten Unternehmen

Steigern Sie Ihre Erfolgsquote bei öffentlichen Ausschreibungen: Wichtige Einsichten in die Anforderungen an Referenzen und die Bedeutung der Präqualifikation.
Mehr erfahren
17.04.2024 | Urteil

Anfragen an abgefragte Referenzen sind zu wahren

Das OLG Frankfurt beschäftigte sich mit der Frage, welche Referenzangaben der öffentliche Auftraggeber hinsichtlich der Leistungszeit und des Leistungsortes verlangen kann.
Mehr erfahren
21.03.2024 | Urteil

Formblatt ausfüllen nicht vergessen!

Die VK Bund beschäftigte sich (erneut) mit dem Thema „nicht korrekt ausgefülltes Formblatt“. Dieses Mal mit Formblatt 223 (Aufgliederung von Einheitspreisen), welches erst auf Nachfrage der Vergabeste
Mehr erfahren
18.02.2024 | Urteil

Preiswertung darf nicht verzerren!

Analyse der Vergabekammer-Entscheidung zu Preiswertungsmethoden: Rechtliche Einsichten und Auswirkungen auf das Preis-Leistungs-Verhältnis
Mehr erfahren
19.01.2024 | Urteil

Neues zur Abgrenzung von Bau- und Dienstleistungsauftrag

Das OLG Schleswig entscheidet: Abgrenzung Bau-und Dienstleistungsaufträge durch EU-Schwellenwerte, wesentlich für Verfahrensordnung und Rechtsschutz.
Mehr erfahren
Zum Wissensbereich